1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
Unternehmer-Mann Ziel ihrer Angriffe. Als hätte ich in einem tiefen Winterschlaf gelegen, wurde ich nun ans grelle Licht gezerrt und blinzelte vollkommen verwirrt in die nackten Tatsachen eines finanziellen Lügengebäudes, das soeben in sich zusammengebrochen war.
Es gab Briefe, Anrufe, Besuche. Übrigens war ich auch deshalb irritiert, weil die meisten dieser Menschen nicht kaltschnäuzig und aggressiv waren, sondern ebenso verstört und beklommen schienen wie ich selbst. Ich hätte mir vorstellen können, eine Selbsthilfegruppe zu gründen, »Plötzlich Geprellte« oder so ähnlich. Manchmal fehlte nicht viel, und ich hätte mich als um meinen Lebensentwurf Betrogene auf ihre Seite schlagen können.
Womit ich nicht rechnete, war das Austicken eines einzelnen Gläubigers. Da müssen sich Frust, Wut, kriminelle Veranlagung und der Hang zu dramatischer Inszenierung auf misstönende Weise miteinander gepaart haben.
Frühmorgens machte ich Frühstück für die Kinder, bereitete vier Butterbrotdosen für Schule und Kindergarten vor, legte passende Kleidung heraus, ein prüfender Blick in den Himmel, dann doch vier Paar Gummistiefel dazu bereitgestellt. Es dauert eine Weile, bis vier quirlige Kinder im Alter von drei bis neun fertig angezogen und gefrühstückt im Flur stehen, damit man sie zur Schule und zum Kindergarten fahren kann. ( Noch brachte ich sie mit dem Auto. Dessen Pfändung ließ auch nicht mehr lange auf sich warten.)
Auf mein Kommando trappelten die Kinder los, rissen die Haustür auf – und standen schlagartig still. Millie bremste zu spät ab, stieß gegen den Rücken des Ältesten und plumpste um. Die Kinder waren absolut still, ich hörte ihr leises, fast ehrfürchtiges Atmen. Erstaunt über die seltsame Ruhe beeilte ich mich, zur Haustür zu kommen, schnappte mir den Mantel im Vorübergehen, die Schlüssel zum VW-Bus klapperten in meiner Hand.
Direkt vor der Haustür lag ein großes, blutiges Beil. An der scharfen Schneidekante klebte frisches Blut, es leuchtete unwirklich in der Morgensonne und stach vor dem dunklen Untergrund der Steine hervor. Ich spürte, wie mir die Knie wegsackten, und ich hielt mich im Türrahmen fest. Jetzt ist es also so weit, dachte ich. Wir werden gejagt. Und gleich der nächste Gedanke: Was sag ich jetzt den Kindern?
»Mama, was soll das?«, fragte Frieda mit wackeliger Stimme. In der Luft lag Bedrohung, Aggression und Angst. Die kleine Millie fing vorsichtshalber an zu weinen. Jonas nahm sie mit einer kräftigen Bewegung auf seine schmale Hüfte, ohne den Blick vom Beil abzuwenden. Millie grunzte zufrieden und pulte am Ohr des großen Bruders.
»Ich weiß nicht, Kinder, was das zu bedeuten hat. Am besten, ich fahre euch jetzt in die Schule und in den Kindergarten, und dann sehe ich weiter. Steigt bitte vorsichtig über das Dingsda rüber.«
Wir gingen langsam zum kleinen Tor im Vorgarten, der VW-Bus war an der Straße geparkt. Dann sah ich genauer hin. Auf den Scheiben des Busses waren ringsherum große weiße Zettel befestigt. Mir wurde sehr flau im Magen, und ich zog die Kinder nervös an mich.
»Ihr bleibt alle hier. Hier stehen bleiben!«
Das sollte ein energischer Mutter-Befehlston werden, aber es war mehr ein Krächzen. Die Kinder hielten sich aneinander fest, und ich ging weiter auf das Fahrzeug zu.
»Das geht nicht mehr lange gut«, stand auf einem Zettel. »Fettes Auto, keine Kohle?!«, war an der Seite befestigt. Vorne an der Windschutzscheibe zwei Zettel, auf denen stand in großen Lettern: »Kinder, Kinder!« Diese beiden Wörter trafen mich am meisten. Ich bewegte mich wie im Fieber um das Auto herum. Unsere Namen wurden auf verschiedenen Zetteln genannt, sie waren offensichtlich Ausdrucke aus dem Textverarbeitungsprogramm eines Computers.
Ich konnte mich von dem verstörenden Anblick nur langsam lösen, ständig zuckten Gedanken in meinem Kopf hin und her. Die Überlegung, die Polizei zu rufen, beruhigte mich am meisten, also scheuchte ich die verunsicherten Kinder ins Haus zurück, ermahnte sie wieder, auf das Dingsda zu achten (ich brachte das Wort »Beil« nicht über die Lippen), und versorgte sie mit warmem Kakao, bevor ich mit brüchiger Stimme die Polizei anrief.
Den Kindern gegenüber spielte ich alles herunter. Das sei so ein Ärgerfritze, der Blödsinn im Kopf habe, das würden die Polizisten gleich klären und ihm sagen, dass er das bleiben lassen solle. Die Kinder wollten unbedingt wissen, wer uns denn so gerne ärgern wolle und
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