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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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ein so dichtes Wochenprogramm, dass sie leider nicht mit meinem Töchterchen spielen konnten. Eine wackere Mutter, die sich über das Geläster der Leute hinwegsetzte, holte ihre Tochter am Nachmittag bei uns zu Hause ab. Es war klar, dass sie nie wiederkommen würde – ich hatte ihren Gesichtsausdruck gesehen, als sie im Hausflur stand, links neben sich eine frische Pipi-Pfütze von Nachbars Katze, hinter sich den fliegenbesetzten Fressnapf, abgerissene Tapeten im Treppenhaus, und aus unserer Wohnung dröhnte gerade laute Heavy-Metal-Musik, weil ich dem Ältesten erlaubt hatte, die neue Bravo-CD einmal – ein Mal – ganz laut zu hören.
    Ich nahm mir vor, meine eigenen Vorurteile ab sofort genau unter die Lupe zu nehmen. (Es gelang mir nicht immer.) Ich übte mich darin, niemanden vorab zu verurteilen, und hatte dadurch im Laufe der Zeit erstaunliche Begegnungen, die ich nicht missen möchte. Wenn ich unterwegs bin und eine Frage habe, suche ich mir besondere Leute aus, die ich anspreche: Punks, Behinderte, Fette, Uralte usw. – meistens müssen diese sich kurz von ihrer Verblüffung erholen, bevor sie mir sehr freundlich und kompetent antworten, den Weg erklären, die Abfahrtszeit des Zuges nennen oder ein Geschäft empfehlen. Ganz selten mache ich dabei schlechte Erfahrungen. Aber die macht man auch mit normalen Leuten.

    Zunächst konnte ich uns mit dem Kindergeld und kleinen Einkünften, die ich durch das Übersetzen von Drehbüchern (ein aufgewärmter Kontakt aus der Studentenzeit) erzielte, über Wasser halten. Ich stellte beim Jugendamt einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss. Wenn der Kindesunterhalt ausbleibt, übernimmt nämlich das Amt einen Teil des Betrags. Besser als gar nichts. Auf die Idee, Sozialhilfe zu beantragen, kam ich nicht. Das war Lichtjahre von meinen Lebensvorstellungen entfernt. Es ging mir darum, das Leben mit seinen simpelsten Funktionen in den Griff zu bekommen: Miete zahlen können, Strom und Warmwasser zu haben, einkaufen gehen können. Ich hatte mir fest vorgenommen, es zu schaffen.
    Obwohl ich meinen Eltern und meinen Geschwistern nicht genau erzählte, wie es um die vier Kinder und mich stand (meine Schwester, meine Brüder und ich hatten uns, jede und jeder auf eigene Weise, immer stolz alleine durchgebissen), spürte meine Familie natürlich den Stress, der auf mich einwirkte. Es ist eine wichtige Erfahrung, in solchen Lebenszuständen die unabdingbare Liebe zu erfahren, in die man eingebettet ist. Ich wusste, egal was ich tat, meine Familie würde immer hinter mir stehen.
    Meine Schwester, die als einziges Familienmitglied in meiner Nähe wohnte, nahm mir zusätzlich zu ihren eigenen drei Kindern oft meine vier Kinder ab, wenn ich mich wieder einmal erneut in den Bewerbungswettlauf des Arbeitsmarktes stürzen musste. Immer gab sie uns große Tupperdosen mit Eintopf mit, wobei nie klar war, ob es sich um Suppe mit Würstchen oder Würstchen mit Suppe handelte. Mein Schwager und ein Freund nahmen Jonas und Till spontan auf eine dreitägige Radtour mit.
    »Die Kerle sollen mal was Kerniges erleben, nicht immer diesen Mama-Kram!«, meinte mein Schwager.
    Jonas und Till waren aus dem Häuschen vor Freude und kamen mit gestählten Muskeln und betoniertem Jungen-Selbstbewusstsein wieder. (Die großen und kleinen Männer hatten unter anderem an einem Tag fünfundsiebzig Kilometer geschafft. Abends schauten sie sich zu viert im engen Zimmer einer piefigen Pension einen James-Bond-Film im Fernsehen an – für Jonas und Till der erste ihres Lebens. Till sei besonders beeindruckt von den Stunts gewesen, während Jonas sich durchaus schon für die gutgebauten Bond-Miezen interessiert habe, meinte mein Schwager.)

    Die Kinder wurden zu meinen Verbündeten im Alltag und waren vorbildliche Sparfüchse. Nach einem Jahr in der Wohnung lag unser Stromverbrauch zu fünft unter dem des jungen Paares, das über uns wohnte. Ich rechnete es den Kindern genau vor, und auch Millie, die sich in der Vorschulgruppe gerade mit 1 + 1 = 2 beschäftigte, glühte vor Stolz.
    Von meinem Selbstverständnis als Mutter verlangte die neue Lebenslage ebenfalls Veränderungsbereitschaft. Ich musste mich von meinem (vielleicht falschen?) mütterlichen Ideal verabschieden, die Kinder, zumindest die inzwischen vierjährige Millie und den sechsjährigen Till, engmaschig selbst zu betreuen. Die Jüngste blieb nun länger in der Vorschulgruppe des Kindergartens, machte jedoch einen munteren Eindruck, auch wenn ich

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