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1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe

Titel: 1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra van Laak
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der sich verunsichert trollte. Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis Millie sich allmählich ein wenig beruhigen konnte. Ihr Körperchen wurde immer wieder von heftigen Schluchzern geschüttelt; ich versuchte, ihr klarzumachen, dass dies ein ganz anderer Mann als der Ärgerfritze gewesen sei, aber ich drang nicht zu ihr durch.
    In der nächsten Zeit ließ ich sie keine Sekunde mehr aus den Augen. In diesen Supermarkt wollte sie nie mehr mit mir gehen, ich musste einen anderen wählen – nun gut, wenn nicht Aldi, dann eben Lidl. Auch durfte ich nie wieder einen Einkaufswagen loslassen, wenn Millie darin saß. Und wie gut konnte ich das Kind verstehen!
    Wenig später wurde ich zu einer abschließenden Besprechung in den Polizeiabschnitt gebeten. Ein älterer Beamter und eine junge Beamtin erwarteten mich dort. Der Beamte teilte mir mit, dass das Verfahren eingestellt würde, weil der Täter nicht zurechnungsfähig sei, vermindert schuldfähig oder so ähnlich. Nun würde man versuchen, ihn von einer freiwilligen Therapie zu überzeugen. Die Erfolgsaussichten seien aber erfahrungsgemäß gering. Für mich könne man nichts mehr tun. Ich solle Augen und Ohren offen halten und immer schön die Polizei rufen, wenn es erneut zu einem Vorfall käme.
    Ich war sprachlos. Der Beamte hatte den Besprechungsraum bereits wieder verlassen, seine junge Kollegin blieb noch sitzen. Ihre flachsblonden Haare hatte sie zusammengebunden, sie lagen wie flüssiges Gold auf der Schulter ihrer mattgrünen Uniform. Ich musste immerzu diese Haarpracht anschauen, ich war so unglaublich ratlos und mitgenommen, aber die Schönheit dieses Haarzopfes tröstete mich.
    »Gehen Sie weg«, sagte die Goldhaarige da unvermittelt. »Gehen Sie mit den Kindern in eine andere Stadt. Haben Sie irgendwo Verwandte? Tauchen Sie für einige Monate unter. Das ist für Sie alle das Beste. Wenn Sie meinen Rat hören möchten. Bis sich die Lage beruhigt hat.«
    Ich tat es nicht. Heute bin ich klüger. Damals richtete sich mein Maß des Zumutbaren einzig und allein nach dem bedenklichen Anspruch an mich selbst, dass ich meinen Ehemann nicht unglücklich machen durfte. Ich war gefangen in dem störrisch von mir verteidigten Grundsatz »Stand by your man«. Und merkte nicht, dass ich selbst unglücklich gemacht wurde.
    Mama, warum dürfen nur Millie und Frieda mitkommen, die Wohnung angucken?
    Der Vermieter kriegt einen Schreck, wenn ich mit euch allen da auftauche.
    Aber der denkt doch, du willst da mit Millie und Frieda alleine einziehen.
    Ja, genau. Deswegen gibt er uns vielleicht auch die Wohnung.
    Ich finde das gar nicht gut, Mama, dass du lügen tust. Mit uns schimpfst du immer, wenn ich sage, ich habe zwei Bonbons genommen, und in Ehrlichkeit waren es vier.

Dach überm Kopf
    E ndlich ist das Maß voll«, kommentierte meine Mutter trocken.
    Der regelmäßige telefonische Austausch mit ihr – meist waren es Anrufe, die ich im geschützten Raum von Renates Küche aus führte – war für mich mittlerweile zum psychischen Anker geworden. Meine selbst noch voll im Berufsleben stehenden Eltern und mich trennten fünfhundertfünfzig Kilometer. Das hielt uns nicht davon ab, einander moralisch zu unterstützen. Denn während ich ständig versuchte, mich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, kämpfte mein Vater mit einer Krebserkrankung. Von seiner Tapferkeit und der Resolutheit meiner Mutter im Umgang mit der Diagnose schnitt ich mir eine Scheibe ab. Und dachte: Ich bin gesund. Meine Kinder sind gesund. Es könnte weit schlimmer kommen.
    Vom Amt für Wohnraumsicherung sollte ich nach der angedrohten Zwangsräumung der Villa eine Bleibe zugewiesen bekommen. Das passte zeitlich gut – inhaltlich weniger – zu meinem Entschluss, das schräge Universum des mir entfremdeten Ehemannes zu verlassen.
    Für das neue Obdach kam von Amts wegen ein Objekt in Frage, in dem auch die im langen Behördenflur mit mir Wartenden untergebracht werden sollten. Links von mir saß ein Punkerpärchen mit hechelndem Hund und blinkenden Handys, rechts von mir ein vor sich hin dösender alter Mann, der seine halbleere Bierflasche unter der Holzbank geparkt hatte. Gegenüber standen zwei aufgemotzte Miezen, die sich miteinander in einer slawischen Sprache verständigten. Ihre vielen Armreifen klimperten bei jeder Geste, und die Unterhaltung war sehr lebhaft. Abgerundet wurde unser lauschiges Wartegrüppchen der bereits oder bald Wohnungslosen durch eine füllige Frau, die ihren etwa

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