1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
drei Jahre alten Zwillingen (angefaulte Milchzähne) abwechselnd Coca-Cola und Schokokekse anbot.
Nein, ich wollte keinen Wohnraum zugewiesen bekommen und eine fragwürdige Zwangsgemeinschaft mit diesen Mitmenschen eingehen, ich wollte mir selbst eine kleine Bleibe für uns fünf suchen.
Bei Müttern, die sich allein mit ihren Kindern durchschlagen müssen, liegt die Toleranzschwelle der Vermieter, was die Kinderzahl betrifft, bei zwei Kindern. Das hatte ich schnell raus, als es um die Wohnungssuche ging.
Die ersten Versuche waren naturgemäß kläglich.
»Guten Tag, van Laak mein Name, Sie haben eine Dreizimmerwohnung mit sechzig Quadratmetern in F. inseriert. Wann kann ich die besichtigen?«
»Bringen Sie Ihren Mann mit zur Besichtigung?«
»Äh, nein, ich schau sie mir alleine an.«
»Auch gut, ist wirklich ne nette Single-Wohnung, für zwei Menschen ist sie fast ein bisschen zu klein, mit der offenen Küche und so.«
»Aber ein abgeschlossenes Zimmer gibt es? Ich meine, wegen der Kinder?«
»Kind? Sie haben ein Kind? Wie wollen Sie das denn machen? Das Kind in das Schlafzimmer, und wo schlafen Sie dann?«
»Im Wohnzimmer, und die Jungens und die Mädchen können doch ein Zimmer zusammen nehmen.«
»Sagen Sie mal, mit wie viel Leuten wollen Sie denn da einziehen?«
»Meine vier Kinder und ich … hallo? Hallo, sind Sie noch dran?«
Wenn sich die Vermieter nicht darüber Sorgen machten, dass jedes Kind unbedingt ein eigenes Zimmer brauchte, machten sie sich – verständlicherweise – Sorgen um meine Bonität. Auch hier machte ich anfangs alles falsch, denn ich hatte mich noch nicht an meinen neuen Status gewöhnt. Und dieser Status bedeutete auf den kürzesten Nenner gebracht: Ohne (Ehe-)Mann ist dieser Frau nicht über den Weg zu trauen.
»Wie hoch ist denn die Warmmiete?«
»Sechshundertvierzig Euro bei sechzig Quadratmetern. Bringen Sie bitte eine Verdienstbescheinigung Ihres Arbeitgebers mit.«
»Ähm, ich bin selbständig.«
»Ah ja, als was denn?«
»Ich übersetze aus dem Englischen.«
»Und was macht Ihr Mann?«
»Ich lebe getrennt.«
»Kinder?«
»Äh, vie…, nein, dr…, nein zwei.«
»Na, dann bringen Sie mir eben die Bescheinigung über Kindes- und Ehegattenunterhalt.«
»Ähm, mein Noch-Mann zahlt keinen Unterhalt.«
»Gute Frau, das lassen wir dann mal lieber. Mit drei Personen wäre es sowieso viel zu eng in der Wohnung geworden.«
Es half nichts, ich musste mir eine vermietertaugliche Lebenssituation zurechtzimmern. Ich beschloss, mir die Identität einer zweifachen Mutter anzueignen. »Aus vier mach zwei« lautete die Devise. Ich orientierte mich an den beiden älteren Kindern (vernünftiger, machen weniger Krach, gehen regelmäßig zur Schule und stören niemanden). Aus Jonas und Frieda machte ich jedoch Johanna und Frieda, denn auf diese Weise konnte ich argumentieren, die beiden Mädchen in einem einzigen Zimmer unterzubringen. Was den Beziehungsstatus anging, so lebte ich nun nicht mehr in Trennung (zu undefiniert, der Scheidungsstress liegt noch vor einem), sondern war seit Jahren geschieden. Finanzen: Ich wurde zur Dozentin in der Erwachsenenbildung, das regelmäßige Einkommen attestierte mir ein Bekannter, der mich zu seiner Angestellten in seiner Unternehmensberatung machte. Na bitte, geht doch. Zu meinen gefakten Lebensbedingungen gehörten natürlich auch Unterhaltszahlungen für die Kinder, die Sätze der Düsseldorfer Tabelle hatte ich gut im Kopf. (Es sollte allerdings noch sehr viel Zeit vergehen, bis ich einen Teil des Unterhalts davon tatsächlich für die Kinder in Empfang nehmen konnte.)
Mit dieser aufgebrezelten Identität ergatterte ich tatsächlich unsere erste Wohnung. Sie lag im Parterre, war unrenoviert und feucht und zwanzig Minuten vom nächsten öffentlichen Verkehrsmittel entfernt. Für mich bedeutete sie dennoch in den ersten Wochen das Paradies, denn die Kinder und ich konnten endlich der enormen psychischen Belastung entkommen, die das Leben in der Villa prägte.
Der Vermieter unserer heruntergekommenen Bleibe interessierte sich nach der Mietvertragsunterzeichnung nicht mehr für uns. Das war einerseits ein Segen, denn ich konnte meine Kinderanzahl wieder offiziell verdoppeln, andererseits intervenierte der Vermieter auch nicht, als die Nachbarn mit ihrem Katzentier für unhaltbare Zustände im Hausflur sorgten. Aber das wusste ich damals noch nicht, und in meiner Notlage hätte mich auch das nicht davon abgehalten, die Wohnung zu
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