1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
spielten wir um unser Leben.
Ich gestand dem Steifbeinigen, dass ich die heimliche Geliebte des Toten gewesen sei, er brüllte laut los, er habe es die ganze Zeit gewusst, Theo hätte nichts ausgelassen, dann bekam ich von einer anderen Frau eins mit der Handtasche übergebraten, nein, ihr Theo sei nicht so gewesen, wir bildeten ein lustiges Dreiergespann und ließen die anderen Mitfahrer ein wenig ratlos zurück.
Weitere Personen wurden herausgeholt. »Und cut!«, rief die Diva, wir brachen ab und merkten erst jetzt, dass wir nur noch ein gutes Dutzend Menschen im Bus waren.
»Sie werden gleich zu einem weiteren Casting gebracht, bitte warten Sie hier einen Moment.« Die Dame unterhielt sich leise mit den beiden jungen Frauen, wandte sich dann ab, öffnete ein Fenster und fing an zu rauchen. Ich sah ihren fleischigen Nacken, in den sich die goldene Halskette eingrub. Mit einer ungeduldigen Bewegung streckte sie ihre rechte Hand mit der Zigarette vom Mund seitlich weg, um den Rauch nach draußen entweichen zu lassen.
Eine der jungen Frauen nahm uns mit, sie ging ebenso schnell wie ihr Kollege, der uns vorher geführt hatte und den wir schon von weitem mit einer neuen Herde ankommen sahen. Ich passte dieses Mal meinen Schritt dem Mann in der Kunstlederjacke an. Er lächelte mir zu. Die Frau bog ab in den nächsten Korridor und führte uns in einen kleinen Raum. Wieder dieses fürstliche Mobiliar, dazwischen drei Männer, ganz in Schwarz, in diesen Ich-bin-ein-Filmschaffender-Rollis, einer von ihnen hinter einem Stativ, auf dem eine Videokamera installiert war, die beiden anderen hinter einem Tisch, auf dem Papiere verstreut lagen. Sie hatten Wasser, Saft, Kaffee dort stehen. Die Frau, die Theos Ehefrau gespielt hatte, wühlte in ihrer großen Handtasche und holte eine kleine Wasserflasche hervor, die sie ohne abzusetzen leerte. Ich vermutete, dass sie mit dem ganzen Casting-Prozedere bereits seit geraumer Zeit vertraut war und Vorkehrungen für einen langen Tag getroffen hatte.
Wir sollten uns setzen, sagte einer der Männer, er sah verlebt und müde aus. Mein Mund war trocken, ich bat um etwas Wasser. Erstaunter Blick. »Nein, das haben wir hier nicht. Sie müssen sich schon etwas mitbringen.« Ach so.
Jetzt ging es um Gruppenarbeit. Wir sollten zu zweit ein Streitgespräch zu einem vorgegebenen Thema simulieren. Zuvor hatten wir zehn Minuten Zeit, um uns vorzubereiten. Wir wurden einander zugeteilt, meine Partnerin war eine Walküre in meinem Alter, sehr dominant und übereifrig, als es um die Besprechung des Themas ging. Zwei Freundinnen, die eine hatte etwas Unrechtes getan und die andere verärgert, so ungefähr in der Richtung. Sie wollte unbedingt die Geschädigte sein – um mich besser angreifen zu können, wie sich dann herausstellte. Auch sie hatte bereits Erfahrung mit diesem Casting, ich weiß nicht, der wievielte Versuch es bei ihr war, in die Kartei der Produktionsfirma aufgenommen zu werden.
Dann waren wir dran – »Sie werden dabei gefilmt. Wir entscheiden anschließend, wer weiterkommt.«
Die Walküre faltete mich in null Komma nichts zusammen. Ich war so perplex, dass ich kaum etwas entgegnete. Ging es jetzt ums Schauspielern oder ums Fertigmachen? Sollte ich jetzt angemessen reagieren und weinen und mich entschuldigen oder sollte ich sie auch fertigmachen? Dann sah ich das Blitzen in den Augen meiner Freundin-Feindin, es war so ein siegessicheres Leuchten, ein persönlicher Triumph – wahrscheinlich fühlte sie sich gerade für fünf Jahre Casting-Baggern belohnt. Das stachelte mich an. Meine Argumente waren zwar schwach, aber ich schüttete meine ganze Wut, Empörung, Verbitterung über ihr aus, dazwischen erfand ich noch schnell eine Begebenheit, bei der sie mich in der Grundschule um eine Tüte Bonbons betrogen hatte, was ich ihr bis heute nie verziehen hatte, denn sie wisse doch, aus was für ärmlichen Verhältnissen ich komme. Und so weiter.
»Cut. Okay, jetzt bitte noch kurz aufs selbe Videoband Ihren Namen, Adresse, Telefonnummer und einen Satz zu Ihrer Person.«
Die Walküre guckte mich böse an, machte in die Kamera ihre Angaben und schloss mit dem Satz zu ihrer Person: »Ich bin vierzig Jahre alt, lebe in Spandau und bin noch zu haben.« – Ob das helfen würde?
Draußen im Flur sollten wir alle auf das Ergebnis warten. Wir wurden einzeln hereingerufen, keiner kam mit freudiger Miene heraus, auch die Walküre schien es wieder nicht geschafft zu haben.
»Frau Laak
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