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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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schier barsten. Als sie ihn endlich freigab, war er mit dem Kopf gegen den Schiffsrumpf geschlagen.
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    »Aber nicht so hart, dass ich das Bewusstsein verlor. Glücklicherweise war ich noch nicht weiter abgetrieben und versuchte, die Bordkante zu packen. Ich bin leider kein sehr geübter Schwimmer.« Er grinste belämmert. »Ich hatte Pech, der Rumpf rauschte rasend schnell über mich hinweg, und meine Hände fanden nirgendwo Halt. In allerletzter Sekunde, das Boot war schon mehrere Fuß von mir entfernt, spürte ich plötzlich ein Seil zwischen meinen Händen, griff zu und ließ nicht wieder los. Ich habe die ganze Zeit hinter euch an diesem Seil gehangen und wartete jede Sekunde darauf, die messerscharfen Zähne eines Hais in meiner Seite zu spüren. Immer wieder versuchte ich, euch mit Schreien auf mich aufmerksam zu machen, aber ich schluckte nur Wasser.« Er hielt seine völlig erstarrten Hände hoch. »Es war unglaublich kalt, meine Hände sind wie erfroren.« Trotz seiner offensichtlichen Schmerzen lächelte er. Seine Augen waren entzündet und geschwollen, über seine Wange lief ein langer Schnitt, aus dem Blut sickerte. Aber er lächelte.
    Vorsichtig nahm sie seine Hände zwischen ihre, küsste sie und rieb sie behutsam. Er biss die Zähne zusammen und verzog vor Schmerz das Gesicht. Kurz entschlossen knöpfte sie ihr Kleid auf und steckte seine Hände unter ihre Achseln. »Es wird gleich besser sein, mein Liebster.«
    Eine tiefe Zärtlichkeit für ihn überschwemmte sie.
    »Weißt du, was mit Sicelo passiert ist?«, fragte er. Seine Schultern sackten nach vorn, als sie stumm den Kopf schüttelte »Der arme Kerl. So weit von seinem Umuzi zu sterben ist ein schreckliches Schicksal für einen Zulu. Seine Seele ist zu ruheloser Wanderschaft verdammt. Bevor wir die Bucht verlassen, werden wir den Zweig des Büffeldornbaums brechen und damit seine Seele zurück in sein Dorf bringen. Die Zulus glauben, dass er sonst nie Frieden finden wird.«
    Mittlerweile waren die Schwarzen, angetrieben von der scharfen Stimme des weiß gekleideten Mannes, zu ihnen hinausgewatet. Ihre ebenholzschwarze Haut glänzte vor Fett, und bis auf ein zusammengedrehtes Tuch, das sie zwischen ihren Beinen hindurchgezogen hatten und das ihre Gesäßbacken frei 230
    ließ, waren sie vollkommen nackt. Die Schiffbrüchigen beäugten sie mit gemischten Gefühlen, die viktorianischen Jungfern erblassten.
    »Prachtvolle Exemplare«, dröhnte Dan. »Seht euch nur diese Muskeln und die Hintern an. Hervorragend als Träger. Und auch für andere Dinge«, gluckste er.
    »Dan, es sind Damen anwesend«, zischte Johann, erntete aber nur heiseres Gelächter.
    Die Frauen an Bord, besonders die unverheirateten, liefen rot an, erschauerten sichtlich und wussten nicht, wohin sie ihre Blicke wenden sollten. Al e außer Catherine. Der Anblick ließ sie unberührt. Nackte oder fast nackte schwarze Menschen waren nichts Neues für sie. Es erschien ihr vollkommen natürlich.
    »Hören Sie alle her«, brüllte der Steuermann. »Jeder von Ihnen springt einem Nigger auf den Rücken, und der wird Sie heil und trocken an Land bringen.«
    Ein Aufschrei entfuhr den viktorianischen Jungfern. Sie wurden noch blasser. »Unmöglich, das ist völlig unmöglich«, protestierten sie und schauten überallhin, nur nicht auf die schwarzen Männer, die ihnen etwas auf Zulu zuriefen und vor Lachen brüllten. Die Hautfarbe der Damen wechselte ins Tiefrot.
    »Sie sind ja völlig ... unbekleidet«, wimmerte eine, offenbar nicht imstande, das Wort »nackt« über die Lippen zu zwingen.
    Die Zulus zeigten erst auf ihren eigenen Rücken und dann auf die Damen. »Woza, woza«, schrien sie, vollführten übermütige Tanzbewegungen und schlugen sich auf die Schenkel vor Freude über einen Scherz, dessen Bedeutung den Neuankömmlingen verborgen blieb.
    Catherine neigte sich zu Johann. »Was sagen sie?« Seit sie ihn wieder gefunden hatte, hatte sie seine Hand nicht losgelassen.
    »>Woza< heißt >komm her<«, übersetzte er und unterschlug wohlweislich den Rest. Der Humor der Zulus war von derber Art.
    Mehrere junge Männer sprangen todesmutig den Schwarzen auf den Buckel und gelangten kurz darauf unter viel Gelächter und Geschrei trockenen Fußes an Land. Die Träger kehrten sofort wieder um und stolzierten mit lautem Woza-Geschrei
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    durch das hüfthohe Wasser. Die Frauen beobachteten sie beklommen.
    Catherine jedoch, wie immer von sehr praktischer Natur, hatte ihr Auge schon auf den

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