1 - Schatten im Wasser
größten und kräftigsten der Zulus geworfen, der sie ihrer Meinung nach am ehesten sicher durchs Wasser tragen würde.
Johann aber hielt sie zurück. »Ich werde dich tragen, wir werden zusammen das Land betreten, mein Land, das jetzt auch dein Land sein wird. Es wird der wirkliche Beginn unseres gemeinsamen Lebens werden«, sagte er feierlich, kletterte über die Bordwand und bot ihr seine Schultern.
»Was ist mit unseren Reisetaschen?«
»Die nehme ich«, sagte Dan de Vil iers, half ihr erst auf Johanns Rücken und stieg dann selbst ins klare Wasser und watete ihnen voran, die beiden Taschen hoch über seinen Kopf haltend.
Minuten später setzte Catherine ihren Fuß auf den Sand, und just in diesem Augenblick brach die Sonne durch die Wolken. Ihre Strahlen waren heiß und prickelten, und nun erst wurde ihr die Bedeutung des Moments bewusst. Natal würde von nun an ihre Heimat sein, ihre und Johanns. Hier würde sie mit ihm leben, bis zu ihrem Ende. Sie tastete nach Johanns Hand und hielt sie fest. Mit allen Sinnen nahm sie auf, was sich ihr darbot. Der Sand schmiegte sich warm und weich an ihre Sohlen, die Luft trug ihr den Duft süßer Blüten und frischen Grüns zu, die hohen Schreie der Seeschwalben waren voller Freiheit und Lebensfreude.
Sie warf ihren Kopf in den Nacken. Das Licht schien hier etwas Besonderes zu sein. Al e Farben waren intensiver, besonders Grün und Blau, und der Himmel war endlos. Etwas Berauschendes, Aufregendes lag in der Luft. Ihr Herz schlug schneller. Sie stand im strahlenden Sonnenlicht, die Kälte der Einsamkeit war gewichen, und sie konnte plötzlich wieder ihre Zukunft sehen. Sie setzte sich auf einen mit Seepocken bewachsenen Baumstamm, zog Johann zu sich herunter und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Für lange Minuten saßen sie so, schweigend, eng umschlungen, bis die kalte Nässe ihres Kleides sie schaudern ließ.
232
KAPITEL 8
Der Schlangenfänger stapfte über den Strand zu ihnen, setzte die Reisetaschen ab und ließ sich der Länge nach hinfallen. »Ich hab die Nase gestrichen voll, das nächste Mal reite ich nach Kapstadt«, knurrte er. »Eine der Taschen ist übrigens nass geworden.«
Das Boot hatte sich fast geleert, nur die prüden Damen waren noch an Bord und widersetzten sich bisher standhaft allen Versuchen, sie an Land zu tragen. Der Steuermann stieß eine Reihe unflätiger Flüche aus, die ihre Zimperlichkeit und die Verzögerung, die sie verursachten, aufs Drastischste beschrieben.
Letztendlich erschien ihnen wohl das Schicksal, einem nackten schwarzen Mann auf den Rücken steigen zu müssen, weniger schlimm, als seinen Flüchen weiter ausgesetzt zu sein, denn sie ergaben sich mit hochroten Gesichtern ihrem grausamen Geschick. Catherine konnte nur vermuten, welche Qualen sie ausstanden, während ihre entblößten Schenkel die Körper dieser Männer umschlangen, bloße weiße Haut an bloßer schwarzer Haut lag, obwohl die Hautfarbe hier wohl nur eine untergeordnete Rolle spielte. Kaum hatten die Zulus mit ihrer Last den Strand erreicht, sprangen die Fräulein herunter und flohen.
Dan setzte sich auf, zog seine Pfeife hervor und zündete sie an. Aus zusammengekniffenen Augen starrte er durch den blauen Rauch aufs Meer, während sich seine Miene zusehends verdüsterte. »Merkwürdig, dass die Ankerkette gerissen ist, nicht wahr?«, sagte er endlich und schielte zu Johann hinüber, der mit dem Rücken am Baumstamm lehnte.
Die Frage riss seinen Freund aus der Lethargie, die sich im Moment der Ausruhens über ihn gesenkt hatte. »Was wil st du damit sagen?«
233
Dan malte ein Schiff unter vollen Segeln in den Sand. »Würde mich doch sehr interessieren, wie hoch das Schiff von der Reederei versichert war«, sagte er, ohne aufzusehen.
Johann pfiff durch die Zähne. »Versicherungsbetrug?« Daran hatte er noch nicht gedacht. Aber je länger er sich Dans Bemerkung durch den Kopf gehen ließ, desto wahrscheinlicher erschien ihm der Vorwurf. »Du könntest Recht haben. Wäre auch bei weitem nicht das erste Mal. Durban hat den Ruf, ausgezeichnete Möglichkeiten zu bieten, ein gut versichertes Schiff abzuschreiben. Viele der Schiffe, die hier gestrandet sind, waren verdächtig hoch versichert.«
Dan nickte und malte einige hohe Wellen in sein Sandbild. »Und immer ging alle Fracht verloren, aber selten ein Menschenleben.« Er schob eine große Sandwoge auf, die sich über seine Zeichnung ergoss und sein Schiff verschluckte. Unter gesträubten Brauen sah er
Weitere Kostenlose Bücher