1 - Schatten im Wasser
seinen Freund an. »Das macht mich sehr, sehr nachdenklich und sehr, sehr wütend.« Seine großen Fäuste öffneten und schlossen sich, und Catherine hatte den unangenehmen Eindruck, dass er in seiner Vorstellung den Hals des Reedereiagenten gepackt hatte.
»Wenn das wahr ist, schlag ich den Kerl windelweich«, sagte Johann in einem Ton, als kommentiere er schlechtes Wetter, doch Catherine, die sich an seine Schulter gelehnt hatte, spürte seine vor Erregung verhärteten Muskeln.
»Warum so rücksichtsvoll«, murmelte Dan und stocherte in seiner Pfeife herum. »Ich würde ihm glatt den Hals umdrehen, diesem gewissenlosen Halunken.«
Catherine war bei diesem Wortwechsel erstarrt. Ihre Gedanken drehten sich in einem immer schneller werdenden Karussell.
Al ihr Bargeld hatte sie in ihre Einkäufe investiert. Die Vorstellung, dass sie ihre gesamte Habe verlieren könnte, erinnerte sie an die Nacht, als sie entdeckte, dass sie nichts besaß außer den mageren Einkünften aus den Büchern ihres Vaters. Das Gespenst der Zukunftsangst erhob sein widerliches Haupt, und sie brach in kalten Schweiß aus.
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Als ahnte er ihren inneren Aufruhr, drehte sich Johann zu ihr um. »Mach dir keine Sorgen. So schlimm wird es nicht werden. Ich sorge dafür.« Mit Mühe verzog er seine Lippen zu einem beruhigenden Lächeln und sah erleichtert, dass sie sich entspannte. Er beschloss, den Ausmaß des Schadens und seine bitteren Sorgen für sich zu behalten. Das war er ihr schuldig. Sie befanden sich schließlich noch auf ihrer Hochzeitsreise. Der Al tag würde sie nur zu schnell einholen.
Catherine lächelte erleichtert zurück. Für Sekunden hatte sie vergessen, dass sie nicht mehr al ein durchs Leben gehen musste. Von jetzt ab würde Johann sie mit seinen starken Schultern vor aller Unbil schützen. Als Gedankenspiel stellte sie im Kopf eine Inventarliste ihrer Kisten auf und beruhigte sich vollends. Es waren alles Dinge, deren Wiederbeschaffüng nur Geld kosten würde. Bettwäsche, Handtücher und Ähnliches. Ihre größten Schätze, ihr Hochzeitskleid, die Malutensilien, Papas Papiere und Unterlagen, einige seiner Bücher, seine Medizinfläschchen, unter anderem das Chinarindenpulver, Césars Speer und auch die vier neu angefertigten Kleider hatte sie in die Reisetasche gepackt. Sie würde ihren Aufenthalt in Durban nutzen, um die verlorenen Sachen zu ersetzen.
Dan, dessen Pfeife ständig ausging, schlug sie ungeduldig am Baumstamm aus und stemmte sich hoch. »Ich werde mir mal ein wenig die Beine vertreten«, sagte er leichthin, doch sein Ton war grimmig.
Eine lärmende Affenherde tobte durch die flache Krone eines alten Baumes, sprang in atemberaubenden Sätzen durch die Äste, keckerte aufgeregt und schien zu beraten, ob sie sich herunterwagen sollte, um ein wenig in den herumstehenden Gepäckstücken zu stöbern. Ein besonders wagemutiges Tier sprang in Riesensätzen zu einem Kleinkind, entriss ihm seinen Keks und sauste triumphierend kreischend zurück auf den Baum.
Das Kleine schrie empört, und Catherine zog die Reisetaschen dicht an sich heran, um sich zu vergewissern, dass sie gut verschlossen waren.
Ein offener Wagen, gezogen von zwölf Ochsen, rollte mit klirrendem Geschirr und unter großem Geschrei der Gespannfüh 235
rer vor dem Zollhaus vor. Zwei freundlich aussehende weiße Männer sprangen herunter und kamen auf sie zu.
Johann richtete sich auf. »Da kommen Gresham und Strydom. Dem Himmel sei Dank, jetzt kommt Bewegung in die Sache«, sagte er. »Was hat euch so lange aufgehalten, dass ihr jetzt erst aufkreuzt?«, rief er den Männern zu, und die Erleichterung in seiner Stimme war überdeutlich.
»Wir sind gekommen, sobald wir von der Havarie gehört haben. Siehst ja reichlich mitgenommen aus«, feixte der Größere von ihnen und deutete auf Johanns Wunden und Blutergüsse. »Hast du dich mit Dan geprügelt?«
Er trug einen Schlapphut mit einer langen, stahlblau schimmernden, gebogenen Schwanzfeder, die irgendein unglücklicher Paradiesvogels hatte dafür hergeben müssen.
Mit herablassendem Grinsen hob Johann die Brauen. »Um Himmels wil en, das wäre gegen die Spielregeln. Ich vergreif mich doch nicht an Kleineren.« Den Arm um seine Frau gelegt, wartete er das Gelächter ab, ehe er ihr seine Freunde vorstellte.
»Catherine, meine Liebe, das sind Cornelius Strydom und Lloyd Gresham, ehrenwerte Bürger Durbans und sehr gute Freunde von mir.
Meine Freunde, das ist Mrs. Catherine Steinach, meine
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