1 - Schatten im Wasser
Vorschlag durchaus ernst gemeint war. »Gütiger Himmel! Welche Zustände! Man sollte doch meinen, dass eine Stadt wie Durban solche Bequemlichkeiten bietet.« Erbost
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stapfte er zu seiner jungen Frau, die ihm, mit gefalteten Händen in untadeliger Haltung auf einer Reisetasche sitzend, voller Erwartung entgegenblickte.
»Der ist mit dem nächsten Schiff wieder weg, das garantiere ich. Solche verweichlichten Kerlchen halten sich hier nicht lange«, sagte Dan de Vil iers, der eben zurückkehrte und sich neben die Steinachs in den Sand fallen ließ. »Es gibt tatsächlich seit kurzem einen Armeedoktor in Durban, aber der ist gerade irgendwo im Busch und flickt einen Mann zusammen, der von einem Leoparden angefallen worden ist; glücklicherweise hat die Raubkatze nur sein Bein erwischt.«
Catherine sah sich erschrocken um und fragte sich, ob die flirrenden gelben Flecken hinter dem Lianenvorhang Sonnenpunkte waren oder das Fell einer Raubkatze. »Passiert das hier öfter? Es gibt doch in der Stadt Durban keine Leoparden, oder?«
»Och, na ja, die Bezeichnung Stadt wäre vielleicht etwas übertrieben«, grinste Dan. »Hin und wieder verirren sich schon Leoparden zwischen die Häuser, besonders wenn Dick King Schlachttag hat und seine geschlachteten Tiere im Kaffirbaum vor seinem Laden aufhängt. Da können die Biester meist nicht widerstehen. Letztes Mal haben sie ihm zwei Rinderhälften weggeschleppt. Wo habt ihr für heute Nacht Unterkunft?«, fragte er seinen Freund.
»Meine Ochsen und der Wagen stehen bei den Farringtons, und da werden wir auch übernachten.« Johann gähnte, plötzlich überwältigt von einem unwiderstehlichen Verlangen, sich einfach der Länge nach in den Sand zu legen und ein paar Stunden zu schlafen.
»Gute Wahl, seine Alte kocht ganz gut, allerdings sollte sie mal ihre Matratzen neu mit Seegras stopfen. Als ich letztes Mal bei ihr übernachtet habe, rochen sie ziemlich streng.« Er beäugte einen schmalen jungen Mann, der eben aus dem Zollhaus trat. »Ach, sieh einer an, da kommt der Reedereiagent. Mal sehen, was der nun wil . Vermutlich herausfinden, wie viel Geld er von seiner Versicherung für die Havarie fordern kann. Da sollte er aber noch warten, bis die White Goud von den Wellen zu 256
Kleinholz verarbeitet ist, dann kann er Totalschaden reklamieren.« Er neigte sich zu Johann. »Du bist doch versichert? Etwa nicht?«, rief er, als er die zusammengekniffenen Lippen seines Freundes sah. »Ach, du heiliger Strohsack, das ist ja eine Katastrophe. Wie konnte das passieren?«
Johann verzog sein Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen. Er legte die Finger auf die Lippen und zeigte dabei auf Catherine. »Hast du schon jemals gehört, dass ein Mensch zweimal Schiffbruch an derselben Küste erleidet?«, flüsterte er.
»Häufiger. Ich kenne auch Leute, die zweimal von einem Löwen gebissen wurden, und einen, der dreimal vom selben Baum gefallen ist und sich beim dritten Mal den Hals gebrochen hat. Weiß deine Frau nicht davon?«
Sein Freund schüttelte nur stumm den Kopf. Lieber hätte er sich mit einem Löwen angelegt, als seiner jungen Frau diese Riesendummheit zu gestehen. »Ich werde Rupert Farrington zwei meiner Zugochsen verkaufen.
Er sitzt mir schon lange deswegen im Nacken, behauptet, meine wären die stärksten in Natal. Damit kann ich den Verlust zumindest zu einem Teil wettmachen. Ich hätte dann immer noch vierzehn Tiere, das genügt zum Pflügen. Sicelo kommt zurück«, sagte er laut.
Der Zulu hockte sich vor ihnen auf die Erde und breitete seine Beute aus. Herzförmige, giftgrüne Blätter, graubraune Borke, zwei große, lappige Blätter der wilden Banane und ein Büschel Lianen. »Umsinsi«, sagte er zu Johann. »Ngifuna umentshisi.«
»Zündhölzer, ich habe welche in meiner Reisetasche«, nickte Johann, öffnete die Tasche und wühlte mit seinen gefühllosen Händen unbeholfen darin herum.
Catherine nahm sie ihm weg. »Lass mich das machen. Hier«, sie hielt die Schachtel hoch, »sie ist allerdings feucht geworden.«
»Ich habe zwar Feuerstein und Stahl in meiner Tasche, aber der Zunder wird auch nass sein.« Johann musste den weißen Kopf des Zündholzes mehrfach an einem Stein anreißen, ehe es endlich aufflammte, und dann stank es fürchterlich.
Sicelo nahm das brennende Holz aus seiner Hand, hielt es an den kleinen Scheiterhaufen, den er aus trockenen Stöckchen 257
und Gras gebaut hatte, und blies hinein, bis eine Flamme hochzüngelte. Als alles
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