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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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feinen Flaum blonder Haare und einem entzückenden Kirschmündchen. Die Zulus zogen sich unter ihren Schattenbaum zurück und diskutierten lautstark die Tatsache, dass es nicht nur eindeutig menschlich war, sondern auch dieselbe unnatürlich weiße Haut besaß wie alle Weißen, aber so gut wie keine Haare.
    Auch Sicelo verwunderte das aufs Höchste. »Was ist mit ihren Haaren passiert? Wird sie kahl wie ein Hühnerei sein?«, fragte er seinen Freund, der laut lachte und ihm erklärte, wie es war.
    Catherine trat näher heran und betrachtete das Baby mit einer gewissen Scheu. So ein winziges Menschlein hatte sie noch nie zu sehen bekommen. Jemand hatte ein Baumwolltuch hervorgesucht und das Kleine fest darin eingewickelt, sodass nur noch das krebsrote Gesichtchen hervorschaute. Behutsam streckte sie einen Finger aus und streichelte dem kleinen Wesen über die blütenzarte Haut.
    »Wollen Sie sie einmal halten?«, fragte die erschöpfte, aber sichtlich glückliche Mutter.
    Catherine nahm das Bündel mit größter Vorsicht und hielt es, als wäre es aus zerbrechlichstem Glas. Die Kleine lag warm und überraschend schwer in ihrem Arm, drehte und wendete ihr Köpfchen und suchte die Brust ihrer Mutter. Stattdessen erwischte sie Catherines Fingerknöchel und fing sofort kräftig an zu saugen. Catherines Herz machte einen Satz, sie spürte die Berührung bis tief in ihren Bauch, und das Gefühl war so intensiv, dass es an Schmerz grenzte. Ebenso erschrocken wie verwirrt gab sie die Kleine schleunigst der Mutter zurück. Zu ihrer Erleichterung hatte niemand etwas bemerkt. Es wäre ihr pein
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    lieh gewesen, denn sie selbst hätte ihre Reaktion nicht erklären können.
    Johann war herangehumpelt, legte den Arm um die Schulter seiner Frau und gratulierte den jungen Eltern artig, und jeder, der seine leuchtenden Augen sah, konnte seine Gedanken lesen.
    »Ich glaube, das Kind hat keine Überlebenschance«, flüsterte Catherine besorgt. »Sie ist so winzig, ihre Haut ist noch durchsichtig, man kann alle Adern sehen, sie wird's nicht schaffen, da bin ich mir sicher. Die armen Eltern.«
    Er lachte leise. »Du hast wohl noch kein Neugeborenes gesehen, was?
    Es ist ein kräftiges Mädchen, hör dir doch nur sein Geschrei an. Keine Angst, sie wird es schaffen.« In seinem Heimatdorf war das Kinderkriegen keine große Sache gewesen. Seine Tante hatte ihren ersten Sohn sogar während des Heuens mitten auf der Wiese geboren.
    Der Schlangenfänger trat hinzu und bot Mrs. Robertson einen Streifen Biltong an, den diese nach einem misstrauischen Blick dankend ablehnte.
    Achselzuckend steckte er sich das getrocknete Fleisch selbst in den Mund und wandte sich kauend an den jungen Vater. »Ich würde vorschlagen, dass Ihre Frau sich hier so lange wie möglich ausruht. Cornelius Strydom bringt mit der letzten Fuhre eine Matratze mit, damit sie mit ihrer Kleinen auf dem Ochsenwagen bequem liegen kann. Ist Ihnen das recht?«
    Tim Robertson bedankte sich, und die Steinachs und Dan schlenderten zu ihren Taschen, um alles für den Transport nach Durban vorzubereiten.
    Die Zulus dösten wieder im Baumschatten, und der weiß gekleidete Mann mit dem Manilastrohhut stand vor dem Zollhaus und redete mit Lloyd Gresham.
    Dan schaute hinüber. »Was ist denn mit Cato heute los? Sonst hält er doch immer lange, salbungsvolle Reden zur Begrüßung der neuen Bürger, um sie dabei auch gleich in seinen Laden zu locken, gerissen wie er ist. Er ist ein geldgieriger Kerl, Catherine, aber sein Laden ist der beste weit und breit, das muss man ihm lassen, besser als der von Gresham.«
    Johann zuckte die Schultern. »Geldgierig sind wir hier doch alle, er ist bloß cleverer als die meisten. Er wird's weit bringen, 261
    das sag ich dir. Seine Rede werden wir wohl später zu hören bekommen, jetzt ist er dabei, unseren Transport zu organisieren, und dafür kaufe ich gern in seinem Geschäft ein.«

    *
Als endlich am späten Nachmittag die Zollformalitäten erledigt waren, gehörten Catherine und Johann zu den Ersten, die Cornelius Strydom auf seinem Ochsenwagen nach Durban brachte. Die Auswandererfrauen und ihre Kinder saßen bleichgesichtig auf Koffern, deren schlosslose, aufgerissene Deckel von hastig umgewundenen Stricken gehalten wurden, auf durchweichten Bündeln und aufgelösten Schachteln. Es war al es, was sie vor den Fluten und den Plünderern hatten retten können. Ihre Männer gingen hinter dem Gespann her, in ihren Gesichtern waren die Strapazen in tiefen

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