1 - Schatten im Wasser
Heimweg würde ziemlich schwierig für mich werden.«
Catherine nickte und deutete neugierig auf einen tropfenden Seesack, den Dan neben sich liegen hatte, und eine flache Holzkiste, aus der das Wasser noch herauslief. »Nun, was habt ihr da mitgebracht?«
»Baumwoll- und Roggensamen und einige kleinere Werkzeuge. Der Frachtraum hat ein großes Loch. Al es andere ist von den Wellen zertrümmert worden, davongeschwommen oder von Plünderern gestohlen«, antwortete ihr Mann müde.
»Du baust Baumwolle an? Ich dachte, du züchtest Rinder?«
»Baumwolle verspricht ein gutes Geschäft zu werden, und hier gab es bisher nur eine Art wilder Baumwollpflanze, die von den Zulus angebaut wird, die aber minderwertig in Ertrag und Qualität ist. Diese Samen sind aus Amerika, sie sollen äußerst ergiebig sein. Ihre Baumwolle soll die längsten Stapelfasern haben und vom reinsten Weiß sein.«
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»Das ist dann ja eine sehr gute Nachricht, nicht wahr? Warst du auch in der Kabine, und hast du gefunden, was du suchtest? Was war es eigentlich?«
»Ja, war ziemlich schwierig. Die Tür war bis obenhin mit Ge- rümpel versperrt.« Den Kasten, in dem er das Fläschchen verwahrte, hatte er gefunden, aber das Glas war zerbrochen, und das Chinarindenpulver hatte sich in der Nässe aufgelöst. Nur noch schmierige Rückstände saßen am Boden, kaum mehr als eine Tagesdosis. Er hatte sie herausgekratzt und geschluckt. Es hatte geholfen, er fühlte sich besser, aber er wusste auch, dass es nicht ausreichen würde. Das Fieber hatte sich nur zurückgezogen, würde jeden Moment wieder zuschlagen können. »Was hast du denn da?«, lenkte er sie ab und berührte die Haut ihres Halses, auf der ein schwach roter Ausschlag zu sehen war, der sich auch über ihren Ausschnitt und die Arme zog.
Sie vergaß ihre Frage und kratzte sich. »Es juckt ziemlich.«
»Du hast die Rizinuspflanzen im Busch berührt. Sie sind giftig. Sei nächstes Mal vorsichtiger. Warte.« Er stand auf und humpelte an den Rand des Büschs. Als er zurückkehrte, hielt er eine Pflanzenranke mit länglichen, fleischigen Blättern, die seidige, purpurfarbene Margeritenblüten trug, in der Hand. Er zerdrückte eine Hand voll Blätter zwischen den Fingern und strich ihr den geleeartigen Brei auf Hals und Brust.
Zu Catherines Erstaunen kühlte er aufs Angenehmste. Sie schob die Ärmel ihres Kleides hoch und hielt ihm ihre Arme hin. »Hier juckt es besonders. Wie heißt die Pflanze?«
»Keine Ahnung. Ich nenne sie Eiskraut. Passend, nicht wahr?« Er pflückte zwei der leuchtenden Blüten und steckte sie ihr ins dunkle Haar.
Das Purpur glühte, ihre Haare glänzten, und ihre Augen im goldenen Oval ihres Gesichts waren blauer als der Himmel Afrikas über ihnen. Es verschlug ihm den Atem. Er vergaß seine Schmerzen, das aufsteigende Fieber, den Verlust seiner Habe und das, was noch vor ihnen lag. Langsam ging er vor ihr auf die Knie.
»Ich liebe dich«, sagte er.
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»Ich habe Hunger«, sagte sie genau zur gleichen Zeit. Johann zuckte zusammen, als hätte er einen Schlag bekommen, und ihr brannte die Röte im Gesicht.
Dan röhrte vor Lachen. »Johann, du romantischer Esel, jetzt hast du deinen Stellenwert erfahren.«
»Verzeih«, stammelte sie und beugte sich zu ihm hinunter; sie wollte ihn auf die Füße ziehen, aber plötzlich klingelte es in ihren Ohren, sie fühlte sich leicht und schwerelos, spürte jählings, wie ihr die Knie weich wurden und sie kraftlos gegen ihren Mann fiel. Sein bestürztes Gesicht entfernte sich in einem Wirbel grauer Schleier. Es dauerte in paar Sekunden, ehe sich die Schleier verzogen hatten und sein Gesicht wieder im Fokus war.
»Catherine, hörst du mich? Was ist mit dir?«, brüllte er sie an, als wäre sie schwerhörig.
Sie probierte ein Lächeln. »Nichts. Ich habe einfach nur Hunger. Seit gestern Mittag habe ich nichts mehr gegessen.«
»Dem kann abgeholfen werden«, sagte Dan, während er an seiner Gürteltasche nestelte. Ein Rinnsal dunkelbrauner Kau- tabakflüssigkeit rann ihm aus dem Mundwinkel in den Bart. Er wischte sie an der Schulter ab und zog ein vertrocknetes Stück Fleisch von höchst merkwürdiger Farbe hervor.
»Hier, das ist gewürztes und getrocknetes Antilopenfleisch, wir Buren nennen es Biltong. Es ist beim Tauchen nass geworden, aber das macht nichts. Kauen Sie es sorgfältig.« Er reichte es ihr und ließ sich wieder in den Sand fallen.
Catherine nahm das Biltong zögernd. Es fühlte sich glitschig an, weil die
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