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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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durchgeglüht war, schob er das Feuer auseinander und steckte die Borke in die schwelende Glut. Unter viel Rauchentwicklung verbrannte sie ganz langsam zu Holzkohle. In der Zwischenzeit suchte er Steine, die er als Mörser benutzen konnte, fand aber keine in dem groben Sand. Kurzerhand steckte er die Blätter in den Mund, zerkaute sie und mischte sie mit viel Speichel, ehe er den hellgrünen Brei auf seine Handfläche spuckte. Mit einem Stock schob er die schwarz gebrannte Borke aus der Glut, zerstieß sie zu grobem Puder, prüfte die Hitze mit einem Finger und mischte dann den Blätterbrei darunter.
    Catherine sah fasziniert zu. Sie vertraute Sicelo, nachdem ihr Fußgelenk durch seine Heilkunst so schnell abgeschwollen war. Sie nahm sich vor, ihn auf Inqaba nach diesen Pflanzen zu befragen. Es würde sehr interessant sein, sein Wissen mit dem der modernen Heilkunst zu vergleichen, soweit ihre Kenntnisse das zuließen. »Was bewirkt das Zeug?«, fragte sie ihren Mann.
    »Hoffentlich, dass sich die Wunde nicht entzündet und vereitert.
    Außerdem stil t es die Schmerzen.«
    Der Zulu strich den Brei aus Borke und Blättern mit leichten Fingern dick auf Johanns Wunde. Der sog zischend die Luft durch die Zähne, als das Gemisch das rohe Fleisch berührte, gab aber sonst keinen Laut von sich.
    Sicelo brach die große Mittelrippe eines Bananenblatts und wickelte es sorgfältig um die Breipackung, zog die Lianen durch die Finger, drehte und knetete sie, bis sie geschmeidig geworden waren, und schlang endlich einen festen Knoten um den Verband.
    »Yabonga gakhulu«, murmelte Johann, prüfte, ob der Wickel fest saß und rollte sein Hosenbein dann darüber. Dann stand er auf, um den Mann von der Reederei, der von Familie zu Familie ging und nach den Policen fragte, abzufangen, ehe er zu ihnen kam und Catherine erfuhr, wie es um ihre Finanzen stand.

    Mrs. Robertson, die schon seit einiger Zeit unruhig auf und ab gegangen war, kaum zwei Schritte tat, ohne zu stöhnen und die Hände zu ringen, schrie plötzlich gellend auf, krümmte sich zu 258
    sammen und fiel langsam auf die Knie in den Sand. Die Köpfe aller flogen herum.
    Catherine schlug die Hand vor den Mund. »Um Himmels wil en, sie bekommt ihr Kind hier auf dem Strand.«
    Tim Robertson hob seine Frau hoch und trug sie in den Schatten. Eine Matrone von beachtlichem Umfang und lauter, befehlsgewohnter Stimme schob ihn resolut zur Seite. »Frauensache«, verkündete sie knapp. »Wir brauchen Sichtschutz. Sie wollen doch nicht, dass Ihre Frau vor aller Augen und diesen nackten Wilden ihr Kind bekommt?« Sie winkte den Hafenmeister heran, der eine Decke brachte.
    Die anderen Passagiere glotzten, wie das Menschen so tun, wenn einer der ihren in Schwierigkeiten ist, und die Zulus, die mit allen Anzeichen von größter Neugier näher gekommen waren, kommentierten das Geschehen mit vielen Worten, lautem Gelächter und großen Gesten. Eine heftige Diskussion war unter ihnen ausgebrochen.
    »Warum sind sie so aufgeregt?«, fragte Catherine, frustriert, weil sie kein Wort verstehen konnte und weil sie auch am liebsten genau zugesehen hätte, um zu erfahren, was bei einer Geburt wirklich passierte. Auch da hatte sie nur Adeles schreckliche Geschichten, die meist davon handelten, welch unaussprechliche Qualen Frauen ertragen mussten. »Gott lässt uns unter Schmerzen gebären und verheißt uns dafür die Seligkeit«, hatte Adele mit frommem Augenaufschlag gesagt und ihr damit einen weiteren Grund geliefert, warum sie kein Kind bekommen wollte.
    Johann übersetzte für sie. »Sie glauben, dass weiße Frauen nur Tiere gebären.«
    »Tiere?«, rief sie ungläubig. »Wie kommen die denn darauf? Welch Humbug. Wie dumm sie sind.«
    »Unwissend, in unseren Augen vielleicht abergläubisch, aber nicht dumm. Mache nie den Fehler, die Zulus für dumm zu halten. Sie sind gerissen und schlau.«
    Das markerschütternde Geschrei der Gebärenden führ Catherine durchs Gebein. Für über zwei Stunden schrie die bedau 259
    ernswerte Frau, und Catherine verspürte kein Verlangen mehr, die Geburt zu beobachten. Sie hielt sich die Ohren zu, bis endlich der erlösenden Ruf der Matrone ertönte. »Es kommt, ich kann das Köpfchen sehen.«
    Kurz darauf hörten sie den herzerweichend süßen Schrei des neugeborenen Kindes, und alle Umstehenden brachen in Hurrarufe aus, als die Matrone den Säugling hochhielt. Es war ein Mädchen, sehr klein, weil es zu früh gekommen war, aber perfekt ausgebildet, mit einem

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