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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Furchen eingegraben, und ihre Augen zeigten jene trübe Stumpfheit, die hoffnungslose Verzweiflung und Angst hervorruft. Die Viktorianischen Fräulein waren zu Gespenstern verblasst, sie schienen kaum noch Lebenssaft in ihren Adern zu haben.
    Aus Johanns klaffender Beinwunde sickerte unter Sicelos Grünverband noch immer Blut heraus, und Dan hob seinen Freund kurzerhand, seinen lautstarken Protest ignorierend, auf den Wagen neben Catherine. Cornelius Strydom drückte seinen Schlapphut mit der schil ernden Feder tief ins Gesicht und ging, auf seiner kalten Zigarre kauend, neben dem Zug her.
    Seine über zwanzig Fuß lange Peitsche schwang er mit so hervorragendem Geschick über die Rücken der zwölf Ochsen, dass er nur das Ohr des zweiten Zugtiers schnippte, genug, um dessen Interesse von einem Grasbüschel am Wegesrand abzulenken und es an seine Aufgabe zu erinnern. Das Zuggeschirr klirrte, Wagenreifen quietschten, die Achsen knarrten, und Strydom brüllte in regelmäßigen Abständen »Ho, ho, ho!«
    und endete mit einem langgezogenen »Jaaak!Jaaak!«.
    Catherines Kopf dröhnte. »Zwölf Ochsen«, staunte sie und kratzte sich.
    »Wozu so viele?« Die Kratzstelle blutete, und sie 262
    leckte ihren Zeigefinger an und rieb die Stelle am Handgelenk damit ein.
    Johann zeigte mit dem Daumen auf den breiten, von Bäumen und dornigem Busch gesäumten Sandweg vor ihnen. »Weicher, loser Sand, später felsiges Gestein und, wenn's geregnet hat, bodenloser Morast. Kein anderes Vieh schafft das. Mit solchen Gespannen sind die Trekburen vom Kap hier heraufgezogen. Durch Wüsten und Savanne, durch Sümpfe und Flüsse und über Steilhänge in den Drakensbergen, die ein Mensch auf allen vieren hinaufkraxeln muss, weil sie fast senkrecht sind. Ein volles Ochsengespann hat zwanzig Zugtiere, und ihre Kraft ist legendär.«
    Sie sah ihn von der Seite an. Er musste eine fantastische Konstitution haben, denn trotz seiner Wunde, und obwohl er fast ertrunken wäre und sich dann noch zum Wrack durchgekämpft hatte, verschwanden die weißen Linien um seinen Mund zusehends. Seine Augen glänzten. Es war erstaunlich. Es schien, dass er mit jeder Drehung der Wagenräder, die ihn näher nach Inqa- ba trug, weiter auflebte. Sie versuchte, ihre Umgebung mit seinen Augen zu sehen. Spitzendecken aus Trichterwinden in leuchtendem Purpur lagen über dem Busch, bunte Schmetterlinge gaukelten von Blüte zu Blüte, winzige schimmernde Vögel huschten durch das Blättergewirr, und der Küstenwald war erfüllt von ihren zarten Stimmen.
    Ein wunderschöner Ort für einen geruhsamen Nachmittagsspaziergang, ignorierte man die gierigen Mückenschwärme, die sich aus dem Grün erhoben und völlig ausgehungert über sie herfielen. Sie erschlug eine auf ihrem Arm. Ein verschmierter Blutfleck blieb zurück. Cornelius Strydom ließ seine Peitsche knallen, und das Gespann rumpelte weiter.
    Ein Schweinestall war das Erste, was die Einwanderer von Durban erblickten. Von graugelbem Futterbrei triefende rosa Schnauzen pressten sich aufgeregt durch enge Zaunstäbe und grunzten das erste Wil kommen.
    Zu dem Schweinestall gehörte eine Hütte. Das Dach deckte grobes Gras, die Wände bestanden aus Grasmatten, die mithilfe von Lianen an Pfosten aus roh be-263
    hauenem Holz befestigt waren. Die Türöffnung, deren Herkunft ohne Schwierigkeiten auf eine große Kiste ohne Deckel und Boden zurückgeführt werden konnte, die hochkant zwischen zwei Pfosten stand, wurde von einem sich sanft blähenden Tuch verdeckt. Jetzt schob eine Frau das Tuch, das wohl einmal ein Laken gewesen sein musste, beiseite, steckte ihre Haarsträhnen mit einer gezierten Bewegung unter ihr Häubchen, lüpfte ihren Rock auf die Art, wie man das mit einem Ballkleid tut, trippelte näher und besah sich die Fracht, die da auf dem Ochsenkarren daherkam.
    »Mr. Strydom, was haben Sie denn da? Wieder neue Bürger für unsere Stadt? Du meine Güte, bald wird es hier ja wie ein Ameisenhaufen sein.
    Und lauter Kinderchen!« Sie patschte ihre Hände zusammen. »Nun, da wird der Reverend äußerst erfreut sein, noch ein paar Schäfchen mehr in seine Klasse zu bekommen. Wir haben seit Neuestem auch einen Reverend in der Stadt«, erklärte sie den sprachlosen Reisenden.
    Der Herr über zwölf Ochsen tippte mit einem Finger an seinen Hut und schob die Zigarre in den anderen Mundwinkel. »Guten Tag, Mrs. Smithers, Sie haben Recht. Diese Herrschaften hier sind die Zukunftshoffnung unseres Landes.«
    Catherine wollte

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