1 - Schatten im Wasser
Oberfläche des Trockenfleischs vom Seewasser schmierig geworden war.
»Und das hier sind getrocknete wilde Feigen.« In Dans hochgestreckter Hand lagen vier braune, verschrumpelte Dinger. Er reichte auch Johann einen Streifen Biltong, spuckte den Tabakkloß aus und schob sich selbst einen in den Mund.
Catherine betrachtete das Fleisch zweifelnd. Appetitlich wirkte das Zeug wirklich nicht, eher wie das, was Dan eben ausgespuckt hatte, aber sie biss folgsam in das harte Fleischstück und
253
kaute. Nach mehreren Bissen entstand zu ihrem Erstaunen wohlschmeckender Brei in ihrem Mund, und ihr Magen begann zu knurren.
Sie kaute eifriger und vergaß dabei ganz, verhalten zu atmen. Al mählich gewöhnte sie sich an Dans Ausdünstungen. Als sie die vier getrockneten Feigen, die salzig auf der Zunge waren, auch hinuntergeschluckt hatte, fühlte sie sich wesentlich gestärkt. »Wo werden wir heute Nacht schlafen?
Wir werden doch nach Durban fahren, nicht wahr? Wird uns jemand abholen?«
»Bei Freunden und ja und nein«, antwortete Johann auf die drei Fragen.
Mit einem Zipfel seines Baumwollhemdes wischte er sich das herunterrinnende Blut von seinem Bein, tupfte auch die Wundränder vorsichtig ab. Es tat höllisch weh.
»Es ist gut, dass es blutet«, erklärte ihm Catherine, »damit werden alle schlechten Stoffe aus der Wunde herausgewaschen, und man kann hoffen, dass es nicht fault. Hör schon auf, daran herumzudrücken, und außerdem solltest du deine Finger waschen, bevor du die Wunde berührst.« Sie hielt seine Hände fest.
Doktor Borg hatte ihr das erzählt. »Sonst übertragen sie Mikro-organismen, die auf jeder Haut leben, und es wird Wundbrand einsetzen, und dann sieht die Wunde ungefähr so aus.« Er hatte ein Stückchen Gulasch unters Mikroskop gelegt und sie hindurchsehen lassen. Fette Maden mit schwarzen Köpfen wanden sich durchs Fleisch, und in üppig sprießenden Schimmelwäldern wimmelten Dutzende merkwürdig geformter Lebewesen. Seitdem war sie eine fanatische Anhängerin des Hände-waschens.
Johann untersuchte seine Finger, die vom langen Aufenthalt im Wasser eher weißlichen, verschrumpelten Würsten glichen als Gliedmaßen, machte aber keine Anstalten aufzustehen.
Dan rührte sich. »Ich hab George Cato beim Zollgebäude gesehen, er wird wissen, wo wir hier einen Arzt finden können. Sicelo in Ehren, aber der Schnitt sieht böse aus. Ich glaube, die haben seit Neuestem einen Armeearzt in Durban.« Damit stemmte er sich auf die Füße und schlurfte hinüber zu dem
254
schäbigen Holzhaus, vor dem der Mann mit dem verwegenen Strohhut Kommandos brüllend auf und ab marschierte. Mr. Cato war offenbar für alle eine Respektsperson, nur der Hafenmeister erschien unbeeindruckt.
»Das ist das Zollhaus? Es sieht eher aus wie eine Scheune«, spottete Catherine. »Eine verfallene Scheune.« Wie sah wohl dann das Rathaus von Durban aus? So es denn eins gab, nahm man die Worte von Mr.
Robertson ernst.
Johann schmunzelte. »Hier sieht alles etwas anders aus, als du es aus Europa kennst. Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Es hat aber nichts zu sagen, es ist meist nur der äußere Schein. Auch die Gesellschaftsstrukturen sind hier im Grunde die gleichen. Es gibt solche, die sich als etwas Besseres ansehen, und solche, die es von Geburt und Herkunft sind. Dann gibt es die, nämlich die Zulus, die den Reichtum an der Zahl ihrer Rinder und Frauen messen und mit dem schnöden Mammon, den wir gegen unsere Produkte tauschen, nichts anfangen können. Sicelo hat es einmal sehr treffend ausgedrückt. Kann ich es essen, oder wird etwas daraus wachsen, wenn ich es in den Boden stecke?, fragte er. Als ich das verneinte, bedachte er mich mit diesem Blick, der sagte, dass er alle Weißen für Verrückte hielt und ich ihm das gerade bestätigt hatte.«
Der feine Herr, der sein Pferd verloren hatte, kam näher. Gönnerhaft wandte er sich an Johann. »Sagen Sie mal, alter Junge, Sie scheinen sich hier ja auszukennen. Wo bekommt man denn eine Droschke und einen Gepäckträger? Obwohl ja nicht mehr viel Gepäck übrig ist«, fügte er verdrossen hinzu.
Johann gab sich große Mühe, nicht zu lachen und sich nicht anmerken zu lassen, welch groteskes Ansinnen das war. »Droschken gibt es leider nicht, aber als Gepäckträger könnten Sie vielleicht einen der Zulus anheuern.«
»Sie meinen diese nackten Wilden? Mein lieber Mann, das kann nicht Ihr Ernst sein.« Ein Blick auf sein Gegenüber machte ihm klar, dass der
Weitere Kostenlose Bücher