1 - Schatten im Wasser
Zustände hier wie im schwärzesten Mittelalter. Ein Picknick unter dem Galgen! Als Nächstes machen sie daraus eine Tanzveranstaltung.«
Johann verkniff sich die Bemerkung, dass morgen natürlich auch getanzt werden würde. Wie jung sie war, wie ungestüm! Vom wirklichen Leben hatte sie tatsächlich keine Ahnung, hatte ihres abseits des normalen Al tags geführt. »So ist nun einmal das Gesetz. Es dient zur Abschreckung. In Deutschland ist das nicht anders. Es lohnt sich nicht, sich darüber so aufzuregen, und was Dolly anbetrifft, ist sie eine der liebenswürdigsten Frauen, die ich kenne, und könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Du tust ihr völlig Unrecht.«
»Aber was sind das für Menschen, die sich daran ergötzen, wenn ein anderer am Galgen sein Leben herauszappelt?«
»Was sind das für Menschen, die einem anderen für ein paar Pennys die Gurgel durchschneiden? Schon die Bibel fordert ein Leben für ein Leben.
Hier gibt es eine Menge rauer Gesellen. Die brauchen Zucht und Ordnung.« Er wollte mit seiner Arbeit fortfahren, aber sah erschrocken, dass alle Empörung von ihr gewichen war und ihre Augen verräterisch glänzten. »Was ist, mein Liebes, sag es mir.« Er versuchte, sie an sich zu ziehen, aber sie blieb störrisch.
»Kannst du es dir nicht vorstellen?«, flüsterte sie. »Das Letzte, was diese Männer auf Erden sehen werden, sind johlende, essende, tanzende Menschen, die auch noch Beifall klatschen, während ihnen im Namen des Volkes und mit Gottes Segen die Schlinge um den Hals gelegt wird. Wie kannst du das gutheißen? Es macht uns, das Volk, doch auch zu Mördern.
Sind dir die Männer bekannt?« Sie fühlte sich plötzlich sehr allein. Sie hatte geglaubt, beurteilen zu können, wie ihr Mann über gewisse Dinge 275
dachte, und nun stand vor ihr ein Fremder. Bis dass der Tod euch scheidet, hatte der Pfarrer gesagt. Jählings erschauerte sie.
»Natürlich. Hier kennt jeder jeden«, antwortete er, wollte ihr noch sagen, dass auch er nicht die geringste Absicht hegte, diesem Spektakel beizuwohnen, aber sie schwang herum und ließ ihn stehen. Mit leisem Grausen dachte er an das, was seine junge Frau in Zululand erwartete; er schwor sich, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um zu verhindern, dass sie Kenntnis davon bekam. Er würde sie hegen und pflegen wie das zarte Pflänzchen, das sie war, sie mit einer Mauer aus Liebe vor den Grausamkeiten dieser Welt beschützen. »Hilf mir bitte mit dem Pflug«, sagte er zu Sicelo.
An diesem Abend gab sie unmittelbar nach dem Abendessen vor, unerträgliche Kopfschmerzen zu haben, und verkündete, jetzt schlafen gehen zu wollen. Dolly Farrington, die in der winzigen Küche bei Kerzenlicht das morgige Picknick vorbereitete, bedauerte sehr, dass die Steinachs nicht noch einen weiteren Tag bleiben wollten. Catherine sagte ihr mit schmalen Lippen gute Nacht.
Johann, der mit Rupert Farrington im Mondlicht vor dem Haus saß und ein Glas Wein genoss, versuchte, Catherine zurückzuhalten. Insgeheim wünschte er sich, dass sie wie die anderen Frauen ihrer Gastgeberin zur Hand gehen würde. Doch sie blieb halsstarrig, hängte das Musselintuch vor die leere Fensterhöhle, zog ihr Kleid aus und rollte sich auf der Matratze, die die Farringtons ihnen in die Wohnzimmerecke gelegt hatten, in ihre Decke ein.
Johann, der ihr gefolgt war, sah auf sie hinunter, sah die blauen Schatten unter ihren Augen, die weißen Linien von der Nase zum Mund und hätte sich am liebsten zu ihr gelegt. Wie hatte er vergessen können, was sie durchgemacht hatte? Wie müde musste sie sein. »Ich habe mit Rupert noch Geschäftliches zu erledigen. Ich komme später nach, schlaf du derweil schon ein wenig.«
»Dann sei so leise, dass du mich nicht aufweckst«, sagte sie schnippisch, zu erschöpft und aufgewühlt, um an irgendetwas anderes zu denken als an die Flucht in den Schlaf.
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Johann setzte sich wieder zu Rupert Farrington und hielt ihm sein leeres Glas hin. »Al es in Ordnung auf der Farm?«, fragte er, während der Hausherr den Wein eingoss.
Rupert Farrington nickte. Seine rote Haartolle wippte. »Bis auf die üblichen biblischen Plagen und die ungute Tatsache, dass die Zulus an den Grenzen unruhig sind. Sie behaupten, jemand stiehlt ihr Elfenbein.«
»Und, stimmt das?«
Rupert Farrington zuckte seine massigen Schultern. »Es gibt ein Gerücht, dass eine kleine Gruppe Weißer, die sich in Zululand herumtreibt, dahinter steckt. Dem Anführer haben sie den Namen Kotabeni
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