1 - Schatten im Wasser
Stammesgenossen exekutieren lässt. Der Mimosenwald auf seiner Kuppe leuchtet weithin, und ich bete, dass Catherine nie von seiner Existenz erfahrt«, murmelte Johann. »Sie ist schon völlig aus dem Häuschen, seit sie von der Hinrichtung morgen gehört hat.«
Rupert schmunzelte nachsichtig. »Deine Frau ist ein bisschen weltfremd.
Aber sie ist ja auch noch sehr jung, sie wird beizeiten lernen, dass es Regeln und Gesetze gibt, die eingehalten werden müssen. Tut man es nicht, bekommt man halt die gerechte Strafe. Das ist in jeder Zivilisation so.
Aber wie wil st du verhindern, dass sie vom Hügel der Mimosen hört?«
Als Antwort hob sein Freund hilflos die Schultern. »Sie wird mit dem Leben in einem Umuzi nie in Berührung kommen, und keiner der Zulus wird darüber reden.«
Rupert wiegte zweifelnd den Kopf. »Sicher, da wirst du Recht haben. Als Frau wird sie sich wohl nur im Umkreis ihres eigenen Hauses bewegen.« Er tat einen tiefen Zug von seiner Zigarre und stieß bläuliche Rauchwolken aus. »Ich werde dieser Geschichte vom Elfenbeindiebstahl nachgehen.
Ärger mit den Eingeborenen können wir nicht gebrauchen. Der letzte Überfall sitzt mir
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noch in den Knochen, und ich möchte nicht in deiner Haut stecken, wenn rachsüchtige Zulus auf dem Kriegspfad über Inqaba herfallen. Hast du eine Fluchtmöglichkeit? Du und Catherine, ihr könnt euch ja kaum auf ein Schiff retten, wie wir in Durban es das letzte Mal taten.«
Johann zuckte niedergedrückt die Schultern. »Inqaba liegt auf einem Hügel, wir können sie rechtzeitig sehen, und ich habe zwei schnelle Pferde.
Aber ich werde mich bei meinen Zulus umhorchen.« Die beiden Männer versanken in schweres Schweigen. Von den Sümpfen strich Feuchtigkeit zu ihnen herüber, und trotz der vergleichsweise kühlen Frühlingsnacht kamen die Mücken in großen Schwärmen. Lange Zeit war nur das regelmäßige Klatschen zu hören, mit dem die Freunde die Insekten auf ihrer Haut erledigten. Bald kam wieder Wind auf, das Donnern der Brecher wurde vom Strand heraufgetragen, und die dröhnenden Rufe der Ochsenfrösche aus den Sümpfen zerrissen die Nachtruhe.
»Wenn Blei nicht so teuer wäre, würde ich diese verfluchten Monster abknallen«, knurrte Rupert. »Wie ist es, mein Freund, ein letztes Glas Wein?«
Viel später schlich Johann sich ins Wohnzimmer und legte sich zu seiner Frau. Obwohl Catherine wach war, tat sie so, als schliefe sie, und wandte ihm die ganze Nacht den Rücken zu. Die Ochsenfrösche brüllten, der Mond schien durchs dünne Fenstertuch, ein leichter Wind hob es immer wieder wie mit Geisterhand und ließ gierig summende Mücken herein. Sie zog die Decke über den Kopf, doch auch da war sie nicht sicher vor den Angriffen.
Ihr Kopf begann nun tatsächlich auf die unerträglichste Weise zu schmerzen, und die Fragen, die sich in ihr aufgestaut hatten und die sie aus lauter Angst vor der Antwort bisher nicht gestellt hatte, wuchsen zu einem riesigen Brocken an, der so schwer war, dass er ihr die Luft abdrückte.
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KAPITEL 9
Das Pferd hieß Caligula und war groß, schwarz und übermütig. Es rollte unartig die Augen, zeigte seine gelben Zähne in einem frechen Grinsen und schlug ihr seinen Schwanz um die Ohren. Catherine machte einen Satz zurück.
»Ich kann nicht reiten, hast du das vergessen?« Ihre Stimmung war düster. Sie hatte kaum geschlafen und sehr schlecht geträumt, ihr Rücken juckte von Dolly Farringtons Seegrasmatratze und unzähligen Mückenstichen. Noch hatte sie sich von dem Schlag, den ihr der Anblick von Durban versetzt hatte, nicht erholt, und der Argwohn, dass Johann ihr ein Luftschloss vorgaukelte, wuchs wie ein böses Geschwür in ihrem Kopf.
Nicht einmal die frische Blütenpracht allenthalben, die sich nach dem ergiebigen nächtlichen Regen geöffnet hatte, und die milde Luft konnten sie aufheitern. Nun sollte sie auch noch diesen bösartigen Gaul besteigen. Die Sache mit den Hinrichtungen, die nur eine viertel Meile von hier entfernt in einer Stunde stattfinden sollten, hatte sie in die hinterste Ecke ihres Gedächtnisses verbannt.
Johann packte das Halfter. Auch er hatte wenig und schlecht geschlafen, aber aus anderen Gründen. Er wischte sich den kalten Schweiß ab, der als Vorbote schlimmerer Dinge auf seiner Stirn stand. Das Chinarindenpulver hatte bei weitem nicht ausgereicht. »Unsinn, du musst nur aufsteigen, der Rest erledigt sich von selbst. Du wirst sehen, wenn wir auf Inqaba ankommen, bist du eine famose
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