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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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zerbrochen. Sie würde sie auf Inqaba aussortieren, dann entscheiden, welche sie wegwerfen sollte.
    Vielleicht konnte sie einige zur Unterstützung ihrer Skizzen gebrauchen.
    »Nun muss ich noch meine Reisetasche ausräumen«, sagte sie zu Dolly Farrington. »Dan de Vil iers hat sie freundlicherweise vom Boot an Land gebracht, aber eine Welle hat sie erwischt.«
    Die Kleider waren steif vom Meerwasser, die Seiten der Bücher und Papiere klebten zusammen. Sie entfaltete ihre Gewänder und hängte sie in der Türöffnung in den leichten Wind, untersuchte besorgt die Salzwasserränder auf den zarten Stoffen und blätterte traurig in ihrem feuchten Skizzenblock.
    »Morgen hat Durban etwas Besonderes an Unterhaltung zu bieten«, erzählte Mrs. Farrington, während sie neidvoll den wunderbaren Seidentaft des Abendkleids befühlte. »Ein Mord ist passiert, und nun müssen die Mörder mit ihrem Leben dafür zahlen. Es wird eine Hinrichtung geben.«
    Catherine fiel der Skizzenblock aus der Hand. »Das gilt als Unterhaltung?« Eigentlich war sie erstaunt, dass so etwas Zivilisiertes wie Gesetz und Ordnung zwischen diesem Haufen ärmlicher Lehmhütten existierte.
    »Zwei Männer werden aufgehängt, weil sie einen ihrer Kumpane erwürgt und dann in die Sümpfe geworfen haben. Sie hofften wohl, dass es aussehen würde, als sei er ertrunken. Unglücklicherweise haben sie sich hinterher die ganze Nacht lang übermäßig dem Alkohol hingegeben und mit dem Mord geprahlt. Männer!« Sie verdrehte die Augen. »Meine Güte, ist das hübsch«, rief sie und ließ die Spitzenvolants des Kleides durch ihre Finger rascheln. »Sie sind doch manchmal zu kindisch, die Männer, meine ich. Werden Sie auch kommen?«, plapperte sie weiter und merkte nicht, dass Catherine zu einer Statue erstarrt war. »Ganz Durban wird da sein.
    Die Deutschen aus New Germa- ny kommen schon heute Abend mit ihren Ochsenwagen, damit sie morgen die besten Plätze haben. Direkt neben den Galgen
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    hat man natürlich ausgezeichnete Sicht. Dazu gibt es Gutes zu essen.
    Springbock und Flusspferd wird auf offenem Feuer gebraten, und den jungen Leuten bietet es die Gelegenheit, sich zu sehen und zu flirten. Die einzigen anderen gesellschaftlichen Veranstaltungen hier sind die Hochzeiten.« Sie lachte vergnügt. »Und wie sollen die zustande kommen, wenn die jungen Leute sich nicht ab und zu treffen können?«
    Catherine war schon bei Mrs. Farringtons ersten Worten der Unterkiefer heruntergeklappt, und sie fühlte sich unfähig, ein Wort zu artikulieren.
    Energisch probierte sie ihre Stimme aus. »Ha«, krächzte sie, aber mehr als das bekam sie nicht heraus. Angewidert schluckte sie den aufsteigenden Brechreiz herunter.
    »Ist Ihnen nicht wohl, meine Liebe?« Neckisch zwinkernd tätschelte Mrs.
    Farrington ihren Bauch. »Doch nicht schon etwas Kleines unterwegs?«
    Das war endgültig zu viel. Catherine zuckte zurück, als wäre sie gebissen worden, warf ihr Bettzeug hin und rannte davon, einfach in den Garten, trampelte über die wild wuchernden Kürbispflanzen, verfing sich in langfingrigen Erbsenranken, stolperte über zwei im Gras liegende, schlafende Zulus, die aufwachten und ihr unter Gelächter etwas nachriefen, und erreichte schließlich die Straße. »Johann!«, schrie sie gellend.
    Mit Sicelo wuchtete er gerade den Pflug auf den Ochsenwagen. Bei ihrem Schrei ließ er ihn fast fallen und drehte sich erschrocken um. Es musste ihr etwas Ernstliches zugestoßen sein. Ihr Gesicht war weiß, die blauen Augen glühten schwarz wie Kohle, und das Haar ihr stand wild um den Kopf. Als hätte sie einen Geist gesehen. Mit einem Satz sprang er vom Wagen herunter, knickte ein, als ihm der Schmerz in sein Bein schoss, biss aber die Zähne zusammen und humpelte seiner Frau zu Hilfe. »Was ist passiert? Hat dir jemand etwas getan? Bist du verletzt?« Er streckte ihr die Arme entgegen.
    »Verletzt? Ach was, wer sollte mir etwas tun? Ich wil , dass wir sofort diesen barbarischen Ort verlassen, und diese fürchterliche Mrs. Farrington wil ich nie wieder sehen.« Ihre Stimme war um mehrere Töne gestiegen.
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    Das war alles? Sie hatte sich mit Dolly Farrington gestritten? Er seufzte.
    »Heute ist es zu spät. Wir fahren morgen bei Sonnenaufgang. Und nun sag mir endlich, was so Schlimmes passiert ist, dass du die nette, gastfreundliche Dolly nicht mehr wieder sehen wil st.«
    Mit vor Empörung bebender Unterlippe schrie sie die Geschichte über den Gerichtstag heraus. »Das sind

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