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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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das Vieh zur Auktion getrieben, und jedes Mal, wenn ein Schiff mit neuen Bürgern kommt, stapeln sich hier die Geräte, die sie nicht brauchen können, weil sie in Natal unnütz sind oder zu schwer, um auf Ochsenwagen landeinwärts geschafft zu werden, und die sie hoffen, verkaufen zu können. Meist aber wil niemand das Zeug, und es verrostet langsam. Irgendein Archäologe wird alles wohl in hun-268

    dert Jahren ausgraben und sich gehörig wundern. Wir müssen bei Gresham oder Cato's morgen das Nötigste besorgen. Ich brauche noch Ersatzteile für den zerbrochenen Pflug, Saatgut und Vorräte fürs Haus«, erläuterte Johann, der nicht bemerkte, in welchem Seelenzustand sich seine junge Frau befand.
    »Gibt es da Kleider und Sonnenhüte zu kaufen?« Ihre Stimme war rau vor unterdrückter Enttäuschung.
    »Kleider? Nein, wohl nicht. Stoff vielleicht, gelegentlich. Aber sonst bekommst du da wirklich alles. Töpfe, Werkzeuge, Tee, Mehl und so weiter«, antwortete er voller Enthusiasmus.
    Sie sah hinüber zu Cato's. Unter riesigen, alten Feigenbäumen, am morastigen Ufer eines Seitenarms des unberechenbaren Umgeni duckte sich ein lang gestrecktes, weißes Gebäude. Das zottelige Grasdach war tief heruntergezogen und ruhte auf Pfosten, die eine Verdanda bildeten, auf der Waren ausgebreitet waren. Davor knatterte eine blau-weiße Fahne im Wind. In der Nähe hingen fünf Rinderhälften in einem mächtigen Kaffirbaum, und vor dem Eingang zum Laden zerhackte ein blonder Mann Knochen auf einem blutigen Schlachterblock. Neben ihm lag ein abgetrennter Rinderkopf. Als er den Wagen der Schiffbrüchigen erblickte, hielt er inne und wedelte mit dem Hackmesser die summende Fliegenwolke weg.
    »He, Johann«, schrie der junge Mann am Schlachterblock, trat dabei einen aufjaulenden Hund weg, der es auf ein Fleischstück abgesehen hatte, »hab schon gehört, dass es dich zum zweiten Mal erwischt hat.
    Scheußliche Sache, Mann. Wirklich. Wir sehen uns heute Abend bei den Farringtons.« Das Hackmesser fuhr blitzend herunter und spaltete den Rinderschädel, der auf dem Block lag. Das Gehirn glänzte graurosa im Sonnenlicht.
    »He, Dick, du alter Gauner, du wirst gierig«, entgegnete Johann und zeigte auf ein Schild. »Zehn Pfund Fleisch für einen Shil ing, das ist verdammt teuer. Vielleicht sollte ich als Lieferant meine Preise auch erhöhen. - Das ist Dick King, Liebling. Hab dir ja schon von ihm erzählt«, wandte er sich an seine Frau.
    »Dick King? Der Schlachterladen, wo sich gelegentlich Leoparden das Fleisch vom Haken holen? Ich hoffe, die lauern nicht 269
    schon hinterm Baum.« Ihre Stimme war papiertrocken und kratzig vor Sarkasmus.
    Johann lachte, verzog aber gleich darauf das Gesicht. Sein Bein brannte und stach äußerst heftig. »Keine Angst, Liebling, tagsüber kommen die nicht. Nur sollte man nicht auf einen Mondscheinspaziergang gehen. Das kann in diesem Land eh schnell zu unangenehmen Situationen führen.« Er hatte ihre Frage völlig ernst genommen.
    »Zu sehr unangenehmen«, griente der Schlangenfänger. Es bereitete ihm Spaß, die junge Frau Steinach ein wenig zu necken.
    Ein kräftiger Südwestwind war aufgekommen und blies lange Sandschleier die breite Straße hinunter. Der Sand geriet ihnen zwischen die Zähne, klebte auf der Haut, juckte in den Haaren. Cornelius Strydom zügelte seine Ochsen mit viel Klappern und Quietschen vor einem niedrigen, gestreckten Gebäude, unter dessen schattigem Grasdach eine Gruppe Männer herumsaß und trank.
    »Da wären wir, meine Herren, das ist das Commercial Hotel«, verkündete er. Vor dem Haus, im tiefen Schatten uralter Würge-feigenbäume, die ihre Wirtsbäume längst erdrosselt hatten, lud er die beiden Männer ab. Sie schienen dort bekannt zu sein, denn eine der zahlreichen Türen des Hotels flog auf, und ein Mann begrüßte sie mit lautem Hallo und kräftigem Schulterklopfen. Unter dröhnendem Gebrüll wendete Strydom sein Gespann, und Catherine begriff, warum alle Straßen in diesem Land mindestens hundert Fuß breit waren. Es war die Breite, die man benötigte, um ein volles Ochsengespann zu wenden. Der Sand war weich und locker, und das Manöver dauerte lange. Der Wagen schwankte, sie wurden hin und her geworfen, die Kinder weinten, und sie spürten jeden Knochen im Leib. Außerdem sank die Sonne schnell, eine eigentümlich milde Feuchte legte sich über das Land. Es war wirklich nicht kalt, trotzdem fröstelte sie.
    »Ist es noch weit zu den Farringtons?« Sie hätte mit

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