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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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gegeben.
    Doch keiner hier hat sie gesehen, niemand weiß Genaues. Vielleicht sind sie über die Drakensberge gekommen, vielleicht sind sie aber auch nur Hirngespinste. Du kennst die Zulus. Ihre Wahrheitsliebe deckt sich nicht immer mit unserer, und wer weiß, was sie im Schilde führen, diese gerissenen, kriegslüsternen Schweinehunde.« Das letzte Wort sprach er mit einer gewissen Hochachtung aus.
    Johann grinste und nahm einen Schluck Wein. Rupert hatte Recht.
    Wenn es ihnen passte, konnten die Schwarzen sehr fantasievoll sein. Dann wurde er ernst. »Heute noch bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an Piet Retiefs Schicksal denke. Warst du Anfang 1838 schon in Natal?«
    Rupert Farrington nickte. »Al erdings, und ich habe Retief häufiger getroffen. Er war erfahren, mit allen Wassern gewaschen. Mir ist ein Rätsel, was ihn dazu veranlasst hat, nachdem König Dingane sein Zeichen bereits unter den Vertrag gesetzt hatte, unbewaffnet das königliche Dorf zu betreten. Ich bin überzeugt, dass Dingane von Anfang an nie vorhatte, Retief und seine Buren lebend ziehen zu lassen.«
    Johann kniff die Augen zu einem schmalen Spalt zusammen. »Ich denke doch. Das Gerücht sagt, dass sein Induna, sein oberster Ratgeber, ihn aufgehetzt hat.«
    »Wennschon. Es macht keinen Unterschied. Retief war doch schon im Aufbruch begriffen, als Dingane sie zu einem zeremoniellen Umtrunk lud.
    Warum er gehorchte, als verlangt wurde,
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    dass sie ihre Musketen niederlegen, habe ich nie verstanden.« Der Schotte ließ seinen Wein im Glas kreisen. »Vor allen Dingen, nachdem der junge Wil iam Wood, der Zulu wie ein Zulu sprach, weil er unter ihnen aufgewachsen war, sie gewarnt hatte. Er hatte im Umuzi ein paar Gesprächsfetzen aufgeschnappt. Aber Retief und seine Freunde haben ihn nur ausgelacht.«
    Johann schüttelte den Kopf. »Man sollte doch meinen, dass der Anblick der gebleichten Menschenknochen, die über den Todeshügel verstreut waren, sie nachdenklich gestimmt haben müsste.«
    »Der Ort der Knochen«, nickte Rupert düster und schnippte die Asche von seiner Zigarre.
    »Ich möchte wissen, was dann wirklich passiert ist«, grübelte sein Freund.
    Rupert sah ihn scharf an. »Was passiert ist und wie, wissen wir genau.
    Außer Wood und dem Missionar Owen, der den Vertrag aufgesetzt hat, gab es noch mehrere weiße Zeugen, unter anderem Mrs. Owen und zwei oder drei weitere Frauen, die sich alle außerhalb des Königshofes aufhielten, direkt in Sichtweite des Todeshügels. Owen hat das ganze Massaker durchs Fernglas beobachtet. Ich war dabei, als er davon berichtete. Man stelle sich über viertausend federgeschmückte, brüllende Zulus vor, die, gegen ihre Schilde schlagend, sich rhythmisch stampfend in Kreisformation auf die unbewaffneten Buren zubewegten. Dingane saß in seinem zerfledderten Lehnstuhl und sah mit steinerner Miene zu. >Bulala abathakathi!<, rief er dann plötzlich. >Tötet die Hexer!« Worauf seine Krieger über die Weißen herfielen, ihnen die Hände festbanden und sie über den Fluss auf den Todeshügel schleppten. Die Buren schlugen um sich, aber die Übermacht der Zulus prügelte sie mit ihren Kampfstöcken zu Tode. Piet Retief haben sie als Letzten getötet, damit er den Tod eines jeden einzelnen seiner Begleiter mit ansehen musste. Einige wurden angeblich gepfählt.« Er verzog sein Gesicht. »Ich mag mir nicht vorstellen, was sie durchgemacht haben. Man sagt, dass die Zulus Retief das Herz und die Leber herausgeschnitten und Dingane dargeboten haben. Daraus stellten
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    seine Sangomas ein Zaubermittel her und versprengten es auf dem Weg, den die Buren zum Umuzi geritten waren.«
    Johann schüttelte den Kopf. »Das ist möglich, aber nicht wahrscheinlich, denn Pretorius und sein Kommando hat die Skelette im Dezember desselben Jahres gefunden. Als sie anrückten, um das Massaker zu rächen, soll Retiefs Skelett angeblich noch bekleidet gewesen sein, und in seiner ledernen Jagdtasche, die noch an seinem Schulterknochen hing, hat man den Vertrag mit Dinganes Zeichen gefunden, der uns Weißen das Land von Port Natal zusammen mit allem Land vom Tugela bis zum Umzimvubufluss im Westen und zum Meer im Norden zu unserer immer währenden Verfügung überlässt.«
    »Das ist erst elf Jahre her, das dürfen wir nie vergessen.«
    »Jetzt haben sie zwar Mpande als König, der fetter und gemütlicher ist, gutes Essen und die Frauen liebt, aber auch bei seinem königlichen Dorf gibt es einen Todeshügel, wo er missliebige

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