1 - Schatten im Wasser
ignorieren es«, sagte er in einem Anflug von Galgenhumor und verzog seine Lippen zu einem müden Lächeln. Schwankend stand er auf, wehrte ihre helfende Hand ab. »Ich werde es schon schaffen, ich bin ein zäher Bayer, das weißt du doch.« Er bückte sich, um die Decke einzurollen und die Tasche wieder zu verstauen.
Sie schob ihn weg. »Lass mich das machen, ich bin ziemlich kräftig, eine richtig handfeste Mischung aus bodenständigen Schleswig-Holsteinern und drahtigen Franzosen.« Die Reisetasche war schwer, aber sie schaffte es, sie auf das Packpferd zu wuchten, und erntete einen hochachtungsvollen Blick von ihrem Mann. Zum Schluss häufte sie Erde über das Feuer, führte Caligula zu einem Baumstamm und stieg auf.
Johann schmunzelte. »Ich habe Recht gehabt, wenn du auf Inqaba ankommst, wirst du eine sehr gute Reiterin sein.« Er nahm seine Zügel auf, und sie ritten aus dem Schatten der schönen alten Bäume in die Sonne.
Aber sie erreichten ihr Tagesziel nicht. Johann war zu krank, die Medizin half ihm nur für kurze Zeit. Nach zwei Meilen zügelte er Shakespeare und wandte sich im Sattel um. Sein Gesicht glänzte vor Schweiß, und Kälteschauer jagten über seinen Rücken. »Ich schaff es nicht bis zu Justus'
Farm, aber Onetoe-Jack lebt ganz in der Nähe, da finden wir Unterschlupf für heute Nacht.«
»Onetoe-Jack? Wer ist denn das? Einzeh-Jack, welch ein merkwürdiger Name. Woher hat er ihn?«
»Er hat nur einen Zeh, die anderen hat ihm eine Hyäne im Schlaf abgefressen. Sie haben ein entsetzliches Gebiss und kön-305
nen die dicksten Knochen damit knacken«, keuchte er. »Jack ist Elfenbeinjäger, ein sehr erfolgreicher übrigens, ziemlich reich und berühmt über alle Grenzen hinaus. Wir sind rund zehn Meilen von seinem Haus entfernt. Es ist das vorletzte Anwesen, das jeder passiert, der ins Herz von Afrika reisen wil , und seine Behausung ist ein beliebter Treffpunkt aller Afrikaabenteurer. Hier hinterlassen sie Nachrichten für Freunde, tauschen Informationen aus, erzählen ihre Geschichten abends vorm Feuer.« Er grinste vergnügt. »Und lügen dabei, dass sich die Balken biegen, besonders wenn es darum geht, wo die größten Elefantenherden zu finden sind.«
Sofort erstand ein gepflegtes Anwesen vor ihrem inneren Auge, eine devote Dienerschar, ein dampfendes Bad und ein weiches Bett. Frohgemut wendete sie Caligula und folgte ihrem Mann.
»Da liegt sein Umuzi.« Johann wies auf einen Staketenzaun und eine dichte Dornenhecke, hinter der Onetoe-Jacks Haus versteckt war. Davor saß eine Gruppe fast nackter schwarzer Frauen und lachte und schwatzte, sie flochten sich gegenseitig Zöpfchen oder stickten Perlengürtel. Zwei trugen steife Röcke aus Rinderhaut und komplizierte Frisuren, die anderen nur Perlschnüre und Gehänge um die Hüften. Johann begrüßte sie auf Zulu, und bei seinem Anblick sprangen sie auf, scharten sich lärmend um ihn, hielten aber respektvollen Abstand zu dem nervös tänzelnden Shakespeare. Als sich die Frauen etwas beruhigt hatten, fragte Johann sie etwas, lauschte der Antwort und übersetzte für Catherine.
»Jack ist auf Jagd mit allen seinen Männern, aber wir sind wil kommen, die Nacht hier zu verbringen. Wir werden in Jacks Hütte schlafen.«
Hütte? Sie schnappte nach Luft. Krachend brach das große Haus ihrer Fantasie zusammen. Oder hatte Johann nur eine flapsige Bezeichnung benutzt? Engländer pflegten solche Scherze zu machen, sodass man nie wusste, was sie wirklich meinten. Bayern etwa auch? »Was heißt Hütte?
Was ist eigentlich ein Umuzi?«, fragte sie in böser Vorahnung.
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»Eine Zuluhofstätte. Sie besteht aus den Hütten der verschiedenen Familienmitglieder und ist von einem Palisadenzaun umgeben.«
Während er noch sprach, schoben zwei der Frauen das Gatter auf, und die Steinachs ritten in den Hof. Verdattert schaute Catherine sich um. Sie befanden sich in einem Zulukraal. An der Stirnseite, im Schatten einer riesigen Akazie, dominierte eine sehr große Hütte, die einem umgedrehten Bienenkorb glich und sie sofort an den neuartigen Unterrock von Frau Strassberg erinnerte. Immer rechts und links angeordnet, standen davor vier kleinere Hütten. Mehrere nackte Kinder liefen dazwischen herum, die hellhäutiger waren als die Frauen, und verschwanden blitzartig in der nächsten Hütte, als sie der Steinachs ansichtig wurden. Catherine jedoch bemerkte, dass sich die Kuhhaut vor dem Eingang bewegte und glänzend schwarze Augen hervorlugten. Am Zaun
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