1 - Schatten im Wasser
standen mehrere Grasdächer auf Pfählen, die ganz offensichtlich als Vorratshütten dienten, denn Büschel von gelbem Mais, Wurzeln und ein gehäuteter Affe mit leeren Augenhöhlen schaukelten im Luftzug an einem Balken. In der Mitte des Umuzis dösten dumpf wirkende Rindviecher mit ausladenden Hörnern in einer Umzäunung aus dicht gesteckten Tambotipfahlen. Unablässig schlugen sie mit ihren Schwänzen, um die Schwärme von Fliegen zu verjagen, die sie plagten.
Eine Kuh blökte, hob ihren Schwanz und ließ schönen, spinatgrünen Dung herunterplatschen, der sofort von einer jungen Zulufrau aufgesammelt und in den Händen weggetragen wurde.
Johann folgte Catherines angeekeltem Blick. »Sie polieren ihren Hüttenboden damit«, erläuterte er amüsiert, obwohl ihm der Kopf fast zersprang vor Schmerzen. »Rinder sind der größte Reichtum jedes Zulus.
Deswegen liegt das Viehgatter in der Mitte jedes Umuzis, und dort ist auch ihre Zisterne. Das Zuluwort ist iHasa, was eigentlich Speicher bedeutet, und sie bunkern dort auch kein Wasser, sondern Maiskolben für Notzeiten. Nur ein Kind kann durch den schmalen Einstiegsschacht steigen. Wenn es den Mais aufgeschichtet hat, wird ein Stein als Ver-307
schluss auf das Loch gelegt. Nach und nach versiegelt der Kuhdung die Kammer.« Er lachte in sich hinein. »Mit der Zeit sickert der Rinderurin durch die Erde in den Speicher, und angeblich verwandelt er den Mais in eine hochgeschätzte Delikatesse.«
»Igitt, das ist ja abscheulich!« Sie schüttelte sich.
Er blinzelte amüsiert. »Dafür essen wir Europäer verfaulte Milch ...
Käse«, setzte er hinzu, als er ihren verständnislosen Blick auffing. »Die große Hütte ist die von Onetoe-Jack.« Er wies auf die einzige Hütte, deren Eingang mit einer richtigen Tür verschlossen war und deren Höhe aufrechten Gang zuließ, wogegen bei den übrigen Bienenkorbhütten vor dem Kriecheingang eine Kuhhaut hing.
Sie konnte nur stumm starren. Der Schock war einfach zu groß. »Hattest du nicht gesagt, er wäre reich?«, stotterte sie und wurde sofort rot ob dieser verräterischen Bemerkung. Verlegen wischte sie sich über die brennenden Wangen.
Johann aber war mit Shakespeares Zaumzeug beschäftigt und merkte nicht, dass sich ihre Frage eigentlich auf Inqaba bezog. »Steinreich. Ab und zu segelt er nach Kapstadt und verspielt alles beim Pferderennen.
Zufrieden, erneut einen triftigen Grund zu haben, seiner Leidenschaft für die Elfenbeinjagd zu frönen, zieht er dann wieder für Monate ins Innere.
Neuerdings nimmt er sogar reiche Gäste aus Übersee mit, weißt du, solche, die Gamaschen tragen und große Schlapphüte, die dicke Zigarren rauchen und die Elefanten zu Dutzenden abknallen. Nur so zum Spaß.
Dafür schröpft er sie gnadenlos. Ist schon ein rechtes Schlitzohr, der Onetoe-Jack.« Er glitt aus dem Sattel und warf seinem Wallach den Zügel über den Kopf. »Geh du schon hinein, ich hole unsere Decken und sehe zu, dass die Pferde versorgt sind«, sagte er und führte die müden Gäule unter eine frei stehende Akazie, band sie fest und redete auf die Zulufrauen ein.
Beide Hände in den Rücken gestemmt, dehnte Catherine ihre schmerzenden Muskeln und sah ihm sorgenvoll nach. Seine Hände waren feucht und kalt gewesen, und das Fieber brannte rote Flecken auf sein Gesicht. Der Rest des Chinarindenpulvers
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würde noch knapp für zweimal reichen. Die Truhe ihres Vaters war mit Sicelo auf dem Ochsengespann unterwegs nach Inqaba. Frühestens in zwei Wochen würde sie wissen, ob vielleicht noch ein kleiner Vorrat des Medikaments darin sein würde. Was würde mit ihr geschehen, wenn Johann völlig von der Krankheit überwältigt wurde, am Ende Schwarzwasserfieber bekäme? Sie hatte genügend Weiße gesehen, die teilnahmslos und quittegelb mit fiebrig glühenden Augen dem Ende entgegendämmerten. Sie aßen nichts mehr und urinierten eine teuflisch stinkende schwarze Flüssigkeit, bis sie einer eingetrockneten Quitte glichen und starben.
Grübelnd kaute sie auf ihrem Finger. Man muss viel trinken, hatte Papa ihr immer gepredigt, und Gegenden meiden, die dampfig und feucht sind.
Dunkel erinnerte sie sich auch, dass er von einer doppelten Dosis des Pulvers bei einem akuten Anfall gesprochen hatte. Dafür reichte ihr Vorrat, und das würde sie nachher gleich probieren. Sie öffnete die Tür von Onetoe-Jacks Hütte, neugierig, wie die Unterkunft eines reichen Elfenbeinjägers aussehen würde, und trat ein.
Dämmerlicht umfing
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