Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Eine gewaltige Herde von Streifengnus zog in der Ferne durch die Ebene, Impalas ästen unter Schatten spendenden Akazien, Reiher stolzierten durch
    298
    den Uferschlamm, pickten Insekten von der Haut der suhlenden Nashörner.
    Flusspferde trieben träge dahin, und junge Elefanten bespritzten sich übermütig mit Wasserfontänen.
    »Als schauten wir ins Paradies«, flüsterte Johann.
    Langsam lenkten sie ihre Pferde hinunter und überquerten den Tugela an einer seichten Stelle. Nun wurde das Land lieblicher, die Hügel waren flacher und runder, die Täler weit und sonnig. Kleine Flüsschen funkelten im Sonnenlicht, Myriaden von Schmetterlingen flatterten nektartrunken in der warmen Luft, und das Grün der Pflanzen war so leuchtend, wie sie es noch nie vorher gesehen hatte. Auf dem festgetrampelten Pfad, den sie durch den dichten Busch verfolgten, konnten sie nebeneinander reiten.
    »Die Hauptstraße nach Zululand«, spottete Catherine. »Gasthäuser und Postkutschen muss ich mir wohl einbilden?« Sie lenkte Caligula an den Wegesrand, um einer der tiefen Wildspuren, die den Weg durchzogen, auszuweichen.
    Johann riss eine lila Blüte von einer langen Ranke und reichte sie ihr mit einem Lächeln. »Wir reiten auf einem Elefantenpfad, der so alt ist wie die Hügel und Täler, durch die er uns leitet. Vom Wald auf dem Berea, dem Hügelrücken oberhalb Durbans, den die Elefanten besonders lieben, führt er ins Herz von Zululand. Wir nennen den Weg die Zuluhandelsstraße. Sie überquert den Tugela, windet sich entlang der Küste und gabelt sich hinter dem Umhlatuzefluss. Der eine Teil klettert nach Westen hinauf zu König Mpandes Residenz, der andere kurvt nordwärts durch die Hügel, kreuzt erst den Weißen und später den Schwarzen Umfolozi. Hier biegen wir nach Inqaba ab. Der Elefantenpfad überquert noch den Hluhluwe, schlägt dann einen weiten Bogen westwärts und vereinigt sich wieder mit seinem Bruder in der Nähe von Mpandes Hof. Von hier aus besucht er unzählige Hofstätten, wandert nach Norden entlang der Lebomboberge durch die Sümpfe von Tongaland und gelangt endlich nach Lourengo Marques. Seit Anbeginn der Zeit haben die Menschen diese Pfade benutzt, denn die Tiere finden instinktiv die sichersten und direktesten Verbindungswege 299
    und die besten Stellen, wo man die Flüsse gefahrlos durchqueren kann.«
    Ein paar Schritte ritt er schweigend und wünschte, er könnte ihr zeigen, was er jetzt vor seinem inneren Auge sah. Zögernd kleidete er es in Worte.
    »Letztes Jahr ist das erste größere Einwandererschiff aus Bremen gekommen, und die White Cloud hat über hundert neue Bürger gebracht.
    Schon jetzt haben weitere Schiffe mit Auswanderern den alten Kontinent verlassen. Wir rechnen mit mindestens zweitausend neuen Siedlern in den nächsten zwei Jahren, vielleicht sind es sogar sehr viel mehr; Gerüchte besagen, dass es das Doppelte sein wird. Al e werden sich in Natal niederlassen, ein Haus bauen und das Land urbar machen. Sie werden Kinder bekommen, und ihr Erfolg wird in Europa bekannt werden. Viele werden folgen.« Ihre abweisende Miene stachelte seine Fantasie an. »Stell es dir nur vor, da wird es hier bald eine richtige Straße geben, vielleicht sogar Straßenbeleuchtung. Postkutschen werden verkehren und Gasthäuser entstehen. Durban wird Läden haben, Schiffe aus aller Herren Länder werden im Hafen anlegen und ihre Waren löschen, und bald wirst du Seide aus China und Indien, Gewürze und Tee aus Java kaufen können, die schönsten Dinge, die dein Herz begehrt.« Seine Vision ging mit ihm durch. »Siehst du es vor dir? Durban wird eine bedeutende Handelsstadt werden. Reiche Handelsherren werden in prächtigen Häusern residieren, es wird Einladungen zum Nachmittagstee und Bälle geben, Theater, Clubs und gute Restaurants.« Er war zufrieden mit sich. Diese Vorstellung musste sie doch mitreißen.
    Catherine wich einem überhängenden Zweig aus und lenkte Caligula um ein tiefes, vom letzten Regen ausgewaschenes Loch, das fast den gesamten Weg ausfüllte. Sie mühte sich, einen Zipfel von Johanns Traum zu erhaschen, versuchte zu sehen, was er sah. Aber das Bild blieb verschwommen, wurde überlagert von den Bildern, die sie in den letzten Tagen gespeichert hatte. Mit einem abgerissenen Zweig wedelte sie sich die Fliegen aus dem Gesicht. Es war drückend und feucht, und das unablässige, hohe Sirren der Insekten ging ihr auf die Nerven. »Läden«, murmelte sie.
    300
    »Läden«, bestätigte er, eine

Weitere Kostenlose Bücher