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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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gelangt, und irgendwann hatte Johann sie aufwärts geführt, heraus aus den feuchten Schwaden der Niederungen, immer höher in die Hügel und flachen Täler, wo es trocken war und die Luft süß vom staubigen Gras.
    Jetzt schnupperte sie, schmeckte die Luft, sog sie durch die Zähne tief in ihre Lungen, und am äußersten Rand der staubigen Süße roch sie den weichen, dampfigen Brodem eines Gewässers. Erleichtert wischte sie sich den Schweiß vom Gesicht. Der Fluss musste in westlicher Richtung liegen.
    Sie hob die Zügel und schnalzte. Shakespeare tauchte in den dichten Busch ein, suchte sich seinen Weg langsam und mit größter Vorsicht.
    Catherine duckte sich unter knorrigen Ästen hindurch und schützte ihr Gesicht mit einer Hand vor zurückschlagenden Zweigen, die andere umklammerte die Zügel. Sie hatte sich den Lederriemen doppelt ums Handgelenk geschlungen. Sollte sie durch einen Fehltritt Shakespeares oder einen zurückschnellen-349
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    den Ast aus dem Sattel geworfen werden, hatte sie nicht die Absicht, die Zügel fahren zu lassen. Leise murmelte sie ihrem Pferd aufmunternde Worte ins Ohr und bemerkte mit freudiger Erregung, dass sich die Vegetation allmählich änderte.
    Zwischen wilden Bananenstauden und den Blätterdächern riesiger Sycamorefeigen wuchsen niedrige Palmen. Das Gewicht unzähliger beutelartiger Webervogelnester zog die Wedel tief zu Boden, und trotz ihrer Angst erfreute sie sich an den herumschwirrenden goldgelben Spatzenvögeln im glänzenden Grün. Schril zwitschernd priesen die schwarzköpfigen Männchen ihre kunstvoll geflochtenen Nester mit aufgeregtem Flügelschlagen den hochnäsigen Weibchen an.
    Und dann hörte sie es, das Rauschen des dahineilenden Wassers, das Gurgeln und Glucksen, mit dem es die Felsen umspülte, das sanfte Klingen des Rieds und das Platschen tauchender Eisvögel. Aufgeregt trieb sie Shakespeare durch den Palmengürtel, der das Ufer säumte, bis sie den Fluss sah. Shakespeare rutschte mit steifen Vorderläufen die Uferböschung hinunter, und sie fand sich an einer kleinen Lagune wieder. Sonnenlicht flimmerte, im klaren Wasser schimmerte ein silbriger Fisch- schwarm, im grünen Schatten der überhängenden Palmen stand ein Reiher.
    Plötzlich zersprang die Wasseroberfläche in Mil ionen funkelnder Splitter, die Fischchen stoben davon wie Silberstaub. Jemand hatte einen Stein in den Teich geworfen. Ihr Kopf flog herum, und sie entdeckte, auf einem großen, flachen Felsen zusammengekauert, halb verdeckt durch Palmenwedel, ein Mädchen.
    Bis auf bunte Perlengehänge, die ihre Hüften umschlossen, und ein breites Perlband an ihrem Hals war sie nackt. Ihre Brüste waren voll und fest, und die Haut glänzte in dem herrlichsten Goldbraun. Sie hatte ihre Hände vors Gesicht geschlagen, Tränen quollen unter den feingliedrigen Fingern hervor, und ihre bebenden Schulterblätter waren zart wie die eines Vögelchens. Im Wasser unter ihr lagen die Scherben eines großen Tonkruges.
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    Dann sah Catherine das Blut an ihrem Fuß. Vom Zeh ihres rechten Fußes über die Sohle bis zur Ferse klaffte ein hässlicher Schnitt, und offenbar litt sie starke Schmerzen. Mit dieser Verletzung würde sie keinen Schritt gehen können, und sie schien völlig allein in dieser Wildnis zu sein.
    Catherine fiel ein, dass sie noch die Medizinfläschchen ihres Vaters in der Tasche mit sich führte. Vielleicht konnte sie dem Mädchen helfen. »Hallo«, rief sie und stellte sich in die Steigbügel.
    Das Mädchen schreckte auf und riss die Hände herunter, erblickte die Weiße und flüsterte etwas auf Zulu. Ihre Mandelaugen schwammen in Tränen, und Tränentropfen blinkten in den gebogenen Wimpern. Ihre Muskeln gespannt, glich sie einer Gazelle auf der Flucht.
    Catherine schätzte sie auf etwa gleichaltrig, vielleicht ein oder zwei Jahre jünger als sie selbst. »Kann ich dir helfen?«, fragte sie und glitt aus dem Sattel. Johanns warnende Worte im Ohr, befestigte sie die Zügel am nächsten Baum und vergewisserte sich, dass Shakespeare zwar grasen, aber nicht davonlaufen konnte. Die Vorstellung, ohne Reittier im Busch zurückzubleiben, jagte ihr gehörigen Respekt ein. Sie sah hinüber zu dem Mädchen. Um zu ihr zu gelangen, musste sie durch Schlamm und seichtes Wasser waten. Kurz entschlossen zog sie ihre Schuhe aus, band ihren Rock hoch und stapfte durch den warmen Matsch. Die junge Zulu sah ihr ruhig entgegen. Das Blut tropfte von ihrem Fuß, rann über den Felsen und driftete in zartrosa

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