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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Schlieren im Wasser davon.
    Catherine erreichte sie und zeigte auf die Wunde. »Tut es weh?«, fragte sie und deutete mimisch Schmerz an.
    »Yebo«, wisperte das junge Mädchen und nickte heftig.
    Ja. Catherine lächelte erleichtert. Dieses Wort kannte sie. Sie streckte der Verletzten ihre Hand entgegen, bedeutete ihr, dass sie ihr helfen wollte.
    Nach einigem Zögern nahm die junge Schwarze ihre Hand und stand auf.
    Sie war so groß wie Catherine, auch ihre Figur war ähnlich. Vorsichtig stellte sie den verletzten Fuß auf den Boden und zuckte zusammen, konnte augenscheinlich nicht stehen. Kurzerhand umschlang Cathe-351
    rine die schmale Tail e, führte die junge Frau zum Ufer und bedeutete ihr, sich auf einen Stein zu setzen. Behutsam nahm sie den schmalen Fuß mit der hellen, blutverschmierten Sohle in die Hand und untersuchte sanft die Wunde.
    Die junge Zulu presste ihre vollen Lippen zusammen und gab keinen Laut von sich. Durch Handzeichen drückte Catherine aus, dass sie etwas aus ihrer Tasche holen müsse. Die Wunde musste verbunden werden, das Blut gestil t.
    Die Namen auf den Medizinfläschchen, die sie am Boden der Tasche fand, sagten ihr nichts, und sie bedauerte, nicht besser zugehört zu haben, als ihr Vater und seine gelehrten Freunde von den Wirkungen dieser Mittel erzählten. Sie wusste nicht einmal, ob man den Inhalt einnahm oder äußerlich anwenden sollte. Nur das Fläschchen mit Laudanum, das der Arzt in Kapstadt ihr gegen die Schmerzen ihres verstauchten Fußes ver-schrieben hatte, erkannte sie. Doch es würde die junge Frau müde machen, sie würde auch mit verbundenem Fuß nicht imstande sein, zu laufen. Sie durchwühlte die Tasche nach einem Stück Tuch, das sie als Verband benutzen konnte. Sie fand nur den prächtigen, golddurchwirkten Schal, den sie von Johann bekommen hatte, das erste Geschenk, das er ihr je gemacht hatte. Sekundenlang zögerte sie, dann legte sie ihn behutsam zurück. Stattdessen kramte sie ihr Nachthemd hervor und riss ohne Umstände ein breites Stück vom Saum ab.
    Auch als sie die Wunde gewaschen und verbunden hatte, wurde schnell deutlich, dass die Zulu nicht auftreten konnte. Catherine watete zurück durch den Schlamm und holte Shakespeare. »Aufsteigen«, befahl sie und zeigte der jungen Schwarzen, wie.
    Zum ersten Mal lachte das Mädchen und zeigte dabei große, schneeweiße, ebenmäßige Zähne. Kichernd wie zwei Freundinnen bestiegen sie beide den breiten Pferderücken, die Zulu, die der Weißen völlig unbefangen die Arme um die Tail e legte, hinter ihr. Nachlässig zog Catherine ihren Rock zurecht. Wie immer saß sie im normalen Reitsitz im Sattel. Vorsichtig lenkte sie Shakespeare das sanft geneigte Land hoch, bis sie auf einer An-352
    höhe standen und die Gegend überblicken konnten. Ihre Augen mit der Hand beschattend, schaute sie ins Rund, erwartete, zumindest das Haus der Frau Arnim zu erblicken oder wenigstens Rauch, der eine menschliche Behausung anzeigen würde, aber das endlose, wogende Grasmeer, von der Sonne zu einem stumpfen Gold getrocknet, war bis auf einige Schirmakazien, unter denen Impalas und Zebras ruhten, leer.
    »Haus?«, fragte Catherine, aber das Mädchen verstand sie nicht.
    »Emilie Arnim«, versuchte sie es weiter, doch wieder erntete sie nur einen verständnislosen Blick aus diesen herrlichen, schimmernden Augen.
    »Inqaba«, sagte sie dann mit einem prächtigen Klick, beschrieb einen weiten Kreis mit ihrer Hand und hob fragend die Schultern.
    Ein breites Lächeln überzog das ebenmäßige Gesicht des Mädchens.
    »Inqaba«, wiederholte sie. »Yebo.« Unmissverständlich deutete sie an, dass sie noch eine kurze Strecke am Fluss entlangreiten müssten und dann in die Hügel. »Yebo. Inqaba!«
    Catherine nagte an ihrem Finger. Die einzige Möglichkeit, diesem Mädchen zu helfen, bestand darin, dass sie ihren Plan aufgeben und nach Inqaba zurückkehren würde. Diese Tatsache spuckte ihr gehörig in die Suppe, aber das Mädchen brauchte Hilfe. Johann konnte sich ihr verständlich machen und dafür sorgen, dass ihre Familie sie abholte und sich um sie kümmerte. Es musste sein. Catherine hob die Zügel, Shakespeare schlug mit dem Kopf, streckte die Nüstern vor und setzte sich in Bewegung. Sie ließ ihn gewähren; fast schien es, als wüsste er, in welcher Richtung sein Stall lag. Ab und zu zupfte das Mädchen sie am Ärmel, zeigte in eine Richtung, und es bedurfte nur einer winziger Korrektur mit dem Zügel, dass der Wallach gehorchte.

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