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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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vierundzwanzig Fuß im Durchmesser und war sein ganzer Stolz.
    Jetzt aber war es nur zu einem Drittel gefüllt. Diesen Winter hatte es nicht so ergiebig geregnet wie üblich. Flüchtig dachte er an die kommende Sommerhitze, in der dieses Wasser ihr Überleben bedeuten würde, aber er tröstete sich, dass die Frühlingsregen noch ausstanden. Heute war der erste Tag im Oktober, und in diesem und dem nächsten Monat fiel gewöhnlich genügend Niederschlag. Er stieg die kurze Leiter zum Rand hinauf und ließ den Wassereimer an einer langen Kette hinunter, die mit einem eisernen Ring an der Mauer befestigt war. Diese Sicherung war notwendig gewesen, da die ersten drei Eimer nach kürzester Zeit spurlos verschwunden waren. Einen hatte er in dem Umuzi eines der kleineren Häuptlinge wiedergefunden, der jedoch steif und fest behauptete, er hätte ihn gegen ein Leopardenfell bei einem durchreisenden Händler eingetauscht. Johann hatte ihm das Gegenteil nicht beweisen können.
    Hand über Hand zog er den gefüllten Eimer nach oben, leerte ihn wieder bis auf die Hälfte und wusch sich mit dem verbleibenden Wasser. Für bloße Körperpflege war Wasser einfach zu kostbar. Wieder ließ er den Eimer hinunter, und dieses Mal füllte er ihn bis zum Rand, trug ihn hinüber zum Haus und stellte ihn Catherine vor die Tür. Sie sollte nicht mit Wasser sparen müssen, nicht am ersten Tag. Er lauschte, aber aus dem Schlafzimmer drang noch kein Laut, und so entfernte er sich wieder auf Zehenspitzen. Sie schlief wohl noch. Er war froh, denn sie schien am Abend völlig mit ihren Nerven am Ende gewesen zu sein. Verständlich, bedachte man, was sie in den letzten Monaten mitgemacht hatte und wie jung sie noch war. Nun, das wür
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    de sich sicher bald ändern. Inqaba würde ihr helfen, sich zu finden. Flüchtig erlaubte er sich, an seinen Traum zu denken. Catherine und er, ein Leben lang, und eine gesunde Familie, die auf Inqaba aufwuchs.
    Über ihm spannte sich das gläserne Gewölbe des Himmels. Er liebte das geheimnisvolle Licht, unmittelbar bevor sich die Sonne über den Horizont schob, diesen verzauberten Augenblick, wo es keine Zeit gab, alles in der Schwebe schien, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
    Es ist der Augenblick, in dem Kinder am häufigsten geboren werden und Alte leichter aus dem Leben scheiden und die Sorgen gewichtslos werden.
    Es ging ihm gut heute, das Fieber war fast auf Normaltemperatur gesunken und seine Energie zurückgekehrt. Kraft strömte wieder durch seine Adern. Mit ein wenig Glück hatte er für einige Zeit Ruhe. Wohlgemut, leise vor sich hinpfeifend, machte er sich auf den Weg zum Obstgarten.
    Zum Frühstück würde er seiner jungen Frau frische Früchte pflücken.
    Passionsfrüchte vielleicht, deren Inhalt, in aromatisch duftendes Gelee gehüllte Kerne, am besten mit Zucker und viel Sahne schmeckte. Natürlich hatte er keine Sahne, denn als Entlohnung, dass sie seine Herde während seiner monatelangen Abwesenheit beaufsichtigt hatten, bekamen seine Zulus alle Milch, die sie melken konnten. Später am Tag würde er sich auf den Weg machen und selbst eine Kanne von seiner Lieblingskuh melken.
    Für alles andere, das wusste er, würden heute andere sorgen.
    Er fand kleine Bananen und tatsächlich mehrere reife, violettbraune Passionsfrüchte. Von den bereits gereiften Papayas hatten die verdammten Affen nicht viel übrig gelassen. Wie ein Luchs würde er die bewachen, die jetzt noch grün und hart waren. Mittlerweile war die Sonne aufgegangen, und es versprach, ein schöner Tag zu werden. Er atmete auf. Das Letzte, was er heute gebrauchen konnte, war einer der sintflutartigen Frühlingsregen, die um diese Zeit das Land in wenigen Stunden verwüsten konnten.

    *
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    Im Kopf völlig wirr vor sich überschlagenden Gedanken, war Catherine erst in den frühen Morgenstunden in einen totenähnlichen Schlummer gefallen.
    Sie hätte gern noch sehr viel länger geschlafen, wenn sie nicht plötzlich von einem grässlichen, heiseren Geschrei aufgeschreckt worden wäre. Sie schoss hoch, brauchte wirre Momente, ehe sie begriff, wo sie sich befand.
    Auf Inqaba, in ihrem Bett, das hart war und knarrte und dessen Matratze piekte, in einem Zimmer, das als Schutz kein Fensterglas besaß, sondern nur ein Stück Tuch, das sie in Deutschland als Käsemusselin bezeichneten.
    Bil iges Zeug. Und vor diesem Fenster tobten irgendwelche unsäglichen Kreaturen herum, die Laute ausstießen, die einen Toten aufgeweckt hätten.
    Sie

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