Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
der Zuluträger bei ihrer Ankunft in der Durbaner Bucht noch im Ohr, und winkte ihn ins Haus.
    Sein nackter Oberkörper glänzte fettig. Er roch etwas ranzig, aber in keinster Weise abstoßend, und trug die übliche Zulutracht von strategisch platzierten Kuhschwanzquasten und einem Schürzchen aus steifer Rinderhaut, das kaum seine Gesäßbacken bedeckte. So viel männliche Körperlichkeit in unmittelbarer Nähe empfand sie als unangenehm und beschloss, ihm so bald wie möglich eine Hose zu besorgen. Vielleicht besaß Johann eine alte. Mit Handzeichen bedeutete sie Mzilikazi, dass er ihr für jeden Gegenstand das Zuluwort nennen sollte.
    Den ganzen Vormittag wanderte sie mit ihm durch die Räume, immer wieder, merkte schnell, dass der Zulu noch nie ein europäisches Haus von innen gesehen hatte, und verwünschte Johann mit Hingabe. Als die Sonne am höchsten stand, hieß sie ihn einen Stuhl auf den Hof in den Schatten des Kaffirbaums stellen und ließ sich darauf nieder. Der junge Zulu streckte sich auf dem Boden aus, den Oberkörper gegen den Stamm gelehnt.
    380
    Die Hitze fing sich unter dem Blätterdach, Fliegen summten, und die Mittagsstil e legte sich übers Land. Sie teilten sich Brot, Fleisch und Wasser und schwiegen gemeinsam. Es war ein wohltuendes, geselliges Schweigen, so wie sie es von César gelernt hatte. Jeder hing träumerisch seinen Gedanken nach. Später fütterten sie die Hühner, deren Stall an den Obstgarten grenzte, und sie lernte dabei eine Menge neuer Worte, wiederholte jedes mehrmals. Es war schwieriger, als sie erwartet hatte, immer wieder brach Mzilikazi in Gelächter aus, bis ihm die Tränen he-runterliefen. Er schien sich königlich zu amüsieren. Sie entnahm seinen Heiterkeitsausbrüchen, dass ihre Betonung falsch war und sie so den betreffenden Wörtern eine völlig andere Bedeutung gab. Streng bedachte sie ihn mit einem zurechtweisenden Blick, der jedoch keinerlei Wirkung zeigte.

    Auf dem Rückweg blieb er abrupt stehen, bückte sich und untersuchte eine Fußspur im roten Sand. »Ingwe«, sagte er, als er sich aufrichtete.
    Fragend sah sie ihn an. »Ingwe?« Sie betrachtete die Spur. Es war die einer Katze, einer sehr großen Katze, aber für einen Löwen zu klein. Ein Leopard?
    »Ingwe«, nickte Mzilikazi, bleckte seine Zähne, knurrte, schlug mit seiner Hand wie mit einer Pranke nach ihr und malte das unbeholfene Bild einer großen Raubkatze mit geflecktem Fell in den Sand.
    Sie erschrak. Ein Leopard war hier gewesen, noch vor kurzem, direkt vor ihrem Haus. Nervös die Umgebung beobachtend, rannte sie den Weg zurück zur Küche. Keine zehn Pferde würden sie heute wieder hinaus in den Garten locken. Die Uhr ihres Vaters, die sie seit seinem Tod mit sich herumtrug, war stehen geblieben, und sie konnte nur nach dem Sonnenstand urteilen, dass noch Zeit blieb, das Haus zu säubern. Mzilikazi bewegte sich mit bedächtiger Gemächlichkeit, schaute interessiert zu, während sie wischte und fegte, berührte diesen Gegenstand und jenen, begutachtete fachmännisch Césars Speer, den sie neben ihrem Bett an die Wand gehängt hatte, spähte alsdann in den Schrank, holte, ehe sie reagieren konnte, ihr Sei
    381
    denkleid heraus, und versuchte, es sich über den wolligen Kopf zu ziehen.
    »Cha!«, schrie sie ihm ein frisch gelerntes Nein auf Zulu entgegen und erntete erneut fröhliches Gelächter. Offenbar war die Betonung schon wieder falsch gewesen, denn er hängte das Kleid nicht zurück, sondern warf es auf den Boden und verschwand. Aufgebracht lief sie ihm nach, rief ihn energisch, aber es war, als hätte der Busch ihn verschluckt. Aufs Höchste verärgert, schwor sie sich, ihn morgen gründlich zur Rede stellen, egal, in welcher Sprache. Sie würde ihm ihr Missfallen schon deutlich machen.
    Sie arbeitete allein weiter. Schweiß lief ihr in Strömen herunter, Blasen wuchsen auf ihren Händen, ihre Nägel brachen ab, und abends, als Johann auf den Hof geritten kam, tat ihr jeder Muskel im Körper so weh, war sie so müde, dass sie nicht mehr genug Energie aufbrachte, ihm wegen Mzilikazi Vorwürfe zu machen.
    Sie aßen kalte Vorräte und begaben sich gleich darauf ins Bett.
    Am nächsten Morgen wartete sie vergeblich auf den Zulu. Aufgebracht ging sie in den Garten, fütterte die Hühner mit Maiskörnern, die ihr Johann hingestellt hatte, und pflückte einen großen Strauß bunter Blumen, deren Namen sie nicht kannte, um sich wenigstens über etwas freuen zu können.
    Als Johann verdreckt und

Weitere Kostenlose Bücher