1 - Schatten im Wasser
zu erwecken trachtete, sah hoch und bemerkte besorgt, dass sie völlig außer sich schien.
»Was hast du mitgebracht, um unsere Speisekarte zu bereichern«, fragte sie sarkastisch. »Zarten jungen Affen oder vielleicht knackige Ameisen? Heuschrecken und dicke Maden sollen ja auch gut schmecken.«
Sie wusste, dass Eingeborene Derartiges aßen.
Hinter ihr tauchte Onetoe-Jack mit seiner aufgespießten Fleischmahlzeit auf, und Johann verstand, weswegen sie so echauffiert war. Er dachte an die getrockneten Mopaniraupen, die er vorhin von einem Zulu gegen reife Bananen eingetauscht hatte und die er in Erdnussbutter als Delikatesse servieren wollte, und beschloss, vorläufig noch nichts davon zu erwähnen, sondern sie im Vorratsraum ganz hinten in eine dunkle Ecke zu stellen. »Du darfst Onetoe-Jacks Natalgeschichten nicht zu ernst nehmen«, sagte er und zwinkerte seinem Freund dabei zu. »Du brauchst auch nichts davon zu essen, Liebling. Soll ich ein Huhn schlachten und es dir braten?«
Sie bedachte ihn mit einem scharfen Blick. Blitzartig überfiel sie bei dieser Vorstellung die Erkenntnis, dass es völlig egal war, wie das Tier, das sie gebraten verzehren sollte, zu Lebzeiten ausgesehen hatte. Wieder einmal befand sie sich an einem Schei
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deweg ihres Lebens. Entweder sie wurde auf der Stelle zur Vegetarierin, oder sie würde sowohl Python als auch Hippopotamus als Nahrung betrachten. Schließlich war der Vorgang, einem Huhn den Hals durchzuschneiden, nicht weniger blutig als die Gewinnung eines Flusspferdsteaks, vom lebenden Tier wie vom toten. Sie holte tief Luft.
»Nein, nein, es ist schon gut. Es ist nur ein wenig gewöhnungsbedürftig.«
Es gelang ihr, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zwingen, wenn es auch noch etwas schwach ausfiel.
»Das ist Afrika«, bemerkte Lil y Kappenhofer hinter ihr. »Meine Mama hat ein delikates Rezept für Stachelschwein in Portwein, und ihr geräucherter Seekuhschinken ist wunderbar.« Sie strahlte, dass ihre Sommersprossen tanzten.
»Seekuh?«
»Euphemismus für Hippopotamus«, kicherte Lil y.
Ihre Gastgeberin war sich nicht sicher, ob sie veräppelt wurde, und nickte vorsichtshalber nur stumm. Sie sehnte sich nach einer ruhigen Minute, in der sie ihre Erlebnisse ihrem Tagebuch anvertrauen konnte, sie ordnen, hin und her wenden und relativieren. Im Moment fühlte sie sich, als tastete sie sich mit verbundenen Augen durch einen Irrgarten voller fremdartiger Gegenstände, an denen sie sich ständig stieß.
Onetoe-Jack schnitt eben schneeweißes Hippofett in einen Topf, fügte ein paar höllenscharfe Chilischoten hinzu, streute je eine Hand voll Reis und Mehl darüber. »Ihr habt nicht zufällig eingelegte Walnüsse? Nein? Nun, es geht auch so. Aber ein paar Kräuter aus dem Garten könnte ich gebrauchen.« Er blickte Catherine auffordernd an, die nur ihre Schulter zuckte. Sie wusste nicht einmal, wo der Kräutergarten von Inqaba lag.
»Ich habe schon welche gepflückt. Bedien dich«, sagte Johann und stellte einen dreibeinigen, gusseisernen Topf auf die Felssteine, zwischen denen nun das Feuer munter flackerte. »Bohnensuppe«, erklärte er mit begehrlichem Gesichtsausdruck. »Hat Maria Kappenhofer gemacht.«
»Habt ihr denn keinen Küchenjungen, der diese Arbeiten erledigt?«
Prudence Mitford trat heran und wickelte dabei ihre 374
Röcke eng um sich, als würde allein die Berührung mit einer solchen Arbeit sie beschmutzen.
»Doch. Er kniet vor dir«, grinste Johann.
»Das ist unser Johann, wie er leibt und lebt«, rief Prudence. »Immer zu Witzen aufgelegt.«
Catherine fing den schnellen Blick auf, den er ihr zuwarf, während er emsig in der Bohnensuppe rührte, konnte ihn aber nicht deuten. Sie nahm sich vor, die Frage nach Küchenjunge, Hausmädchen, Gärtner und Köchin heute Abend im Bett zu klären. Scharfes Brennen lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihre Füße.
Sie sah hinunter. Eine Armee roter Ameisen marschierte über ihre Fußrücken. Einige hatten sich an ihren Knöcheln festgebissen, die anderen strebten den Essensabfällen zu, die sich vor der Küche türmten. Grün schil ernde Schmeißfliegen wimmelten über den stinkenden Haufen und krochen ins Innere des abgetrennten Pythonkopfes. »Das ist ja ekelhaft!«, rief sie, während sie versuchte, die rabiaten Insekten aus ihrer Haut zu lösen. »Essensreste gehören in eine Abfallgrube, Johann. Haben wir so etwas nicht?«
»O doch, sogar mit einer sehr wirksamen Abfallbeseitigung. Ich hab es den Zulus
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