1 - Schatten im Wasser
sagte sie. »Was wünschen Sie?«
Die Reiter wendeten ihre Pferde. »Sieh an, sieh an«, murmelte der mit den schwarzen Haaren und strich über sein bartloses Kinn. »Welch eine Überraschung. Das entzückende Fräulein le Roux ist die Herrin der schönsten Farm in Zululand.« Er zog seinen Hut und verneigte sich im Sattel. »Ich grüße Sie, Frau Steinach. Die so tüchtige Frau Mila Arnim, auf deren Farm wir die vergangene Nacht verbracht haben, bat mich, einen Beutel mit getrockneten Kamil enblüten bei Frau Steinach auf Inqaba ab-zuliefern. Hätte ich geahnt, wer sich hinter diesem Namen verbirgt, hätte ich Flügel bekommen. Sie sagte, dass Ihr Mann krank ist und dass Sie Hilfe brauchen. Nun bin ich hier, ganz zu Ihren Diensten.« Er schenkte ihr sein zähneblitzendes Wölfslächeln. Die Goldknöpfe an seiner Jacke funkelten.
Catherine konnte ihn nur sprachlos anstarren, zu groß war der Schock, zu hart klopfte ihr Herz, und ihre Empfindungen befanden sich in einem derartigen Aufruhr, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. »Graf Bernitt«, stammelte sie endlich. Mehr fiel ihr beim besten Wil en nicht ein.
Der Graf machte eine elegante Handbewegung. »Dieser abgerissene Kerl neben mir ist Red Ivory, Elfenbein Rot. Der 503
Name rührt daher, dass er Elefanten auf hundert Meilen im Umkreis riechen kann und jeden, den er vor die Flinte bekommt, auch erlegt. Das Rot erklärt sich durch seine Haarfarbe, nicht wahr? Wir sind sehr einfallsreich mit unseren Namen hier.« Er lachte vergnügt. »Und das ist mein Diener Johnny, der Hottentot.«
Johnnys rote Blusenjacke über den engen, grauen Gamaschenhosen erinnerte an die Tracht mittelalterlicher Knappen. Ein glänzend schwarzes Auge starrte unfreundlich unter dem schweren Brauenwulst hervor, das andere war milchig wie ein gekochtes Ei. Graf von Bernitt glitt aus dem Sattel, gab Hottentot Johnny die Zügel und kam mit ausgestreckten Händen auf sie zu. Er ergriff ihre und küsste sie. »Welch eine exquisite Freude, Sie wiederzusehen, gnädige Frau ... Catherine.«
Ihren Namen flüsterte er so leise, dass nur sie ihn verstehen konnte. Die feinen Härchen auf ihren Armen stellten sich hoch. Der Duft teurer Zigarren und Eau de Colognes stieg ihr in die Nase. Beschämt wurde sie sich ihres vielfach geflickten Kleides und der löcherigen Springbockstiefelchen bewusst.
Er löste einen Beutel von seinem Gürtel und überreichte ihn ihr mit einer Verbeugung. »Frau Arnim meint, dass ein Aufguss das Fieber aus dem Körper treibt. Darf ich fragen, welcher Art das Fieber ist, das Ihren Gemahl befallen hat?« Sein Gesicht drückte nichts als tiefste Anteilnahme aus.
Das Bedürfnis, sich an seine breite Brust zu werfen, sich in den Schutz seiner Arme zu schmiegen und ihm, dem Mann, alles Weitere zu überlassen, überfiel sie völlig unvorbereitet. Sie schwankte, suchte dem Sog seines Mitgefühls standzuhalten. »Malaria«, krächzte sie. »Wir haben kein China mehr, und die Attacke ist außerordentlich schwer. Ich befürchte das Schlimmste.« Die Erinnerung an die Ballnacht in Wien brannte in ihr wie eine helle Flamme. Nervös spannte sie alle Muskeln an und biss die Zähne so hart aufeinander, als hätte sie einen großen Schmerz zu ertragen.
»Malaria.« Konstantin von Bernitt schürzte die Lippen. »Schlimme Sache. Wie oft kommen die Anfälle?«
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»Häufig und unregelmäßig, das Fieber ist sehr hoch. Dieses Mal ist es wirklich schlimm. Mein Mann ...«, sie atmete tief durch, es fiel ihr schwer, diesen Ausdruck Konstantin gegenüber zu verwenden, »mein Mann weiß kaum noch, was um ihn herum vorgeht. Hat einer der Herren vielleicht noch ein paar Gran Chinarindenpulver übrig?« Ihr Blick flog zwischen beiden Männern hin und her. »Natürlich werde ich dafür bezahlen.« Bitte, Gott, hilf mir, betete sie.
Konstantin von Bernitt wollte schon prompt verneinen, als er innehielt und langsam das Haus, das umliegende Land und die Lage der Farm in Augenschein nahm. Er hatte schon viel von Inqaba gehört, die Geschichte, wie Johann Steinach in ihren Besitz gelangt war, gehörte zu den Legenden der jungen Kolonie, und jetzt, als er das Land erblickte, das sich bis zu den fernen Hügeln erstreckte, überfiel ihn glühender Neid. Er führte immer genügend China mit sich, um Malariaanfalle zu kurieren. Es war vielleicht opportun, der süßen Frau Steinach ein wenig davon für ihren Mann zu überlassen und so ihre immer währende Dankbarkeit zu erringen. Wer weiß, wer
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