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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Befehle ab, aber ihre Glieder gehorchten nicht. Sie stand da wie festgenagelt, wie in dem entsetzlichsten Albtraum.
    Die Fingerspitzen der Zulufrauen trafen sie, bohrten sich in ihre Haut.
    Sie hackten immer wieder zu, mit Nägeln so hart und scharf wie Geierschnäbel. Schon floss Blut. Eine traf sie unter dem Magen, und sie klappte vornüber, fiel und landete mit dem Gesicht zuerst in den weichen, stinkenden Därmen am Hals der alten Umafutha.
    Sie schrie. Und schrie und schlug um sich, griff in Weiches, Feuchtes, an Hartes, Scharfes, jemand biss ihr in die Hand. Sie schrie weiter, wirbelte herum, trat sich den Weg frei und rannte.
    Sie rannte blindlings, Dornen verhakten sich in ihr, das Kleid zerriss, ihre Haut zerriss. Die Sangomas trampelten hinter ihr durch das Dickicht. Bis auf eine, die größer und eher kräftig gebaut war, waren al e sehr korpulent und daher tollpatschig in ihren Bewegungen, das bescherte ihr einen guten Vorsprung. Auf einem Dunghaufen rutschte sie aus und fiel wieder hin, dieses Mal mitten in einen weichen, grünen Busch. Heller, würziger Duft stieg aus den zerquetschten Blättern. Sie setzte sich auf und nieste. Hatte sie das Fieberkraut gefunden?
    In größter Eile riss sie mehrere der silbrig grünen Pflanzen, die in Gruppen wuchsen, aus der Erde und wickelte sie in ihren zerfetzten Rock.
    Der Flechtkorb lag irgendwo da, wo ihr die Frauen erschienen waren. Das Stampfen und Keuchen der Hexerinnen kam bedrohlich nahe, und sie wandte sich wieder zur Flucht, stellte jedoch erschrocken fest, dass sie nicht sicher war, welche Richtung sie einschlagen musste. Konzentriert schaute sie sich um, verlor dabei kostbare Sekunden. In der Ferne, mehr zur linken, hörte sie das Platschen eines Vogels, der ins Wasser 499
    taucht. Dort musste Inqabas Wasserreservoir liegen. Als heftiges Schwanken eines Büschs anzeigte, dass die Frauen sie fast erreicht hatten, stolperte sie, krampfhaft das im Rockzipfel eingerollte Pflanzenbündel umklammernd, weiter. Den großen, dunklen Schatten, der neben ihr auftauchte, sah sie überhaupt nicht.
    Sekunden später, bevor ihr klar wurde, was passierte, fühlte sie sich vom Boden hochgehoben und in rasender Schnelle durch den Busch getragen. Ihr Entfuhrer musste ein sehr großer Mann sein. Sie wollte schreien, aber im selben Moment legte er seine schwielige Hand über ihr Gesicht und hielt ihr einfach den Mund zu. Sie biss ihn, doch das zeigte überhaupt keine Wirkung. Sie strampelte, und er drehte sie blitzschnell und warf sie mit den Beinen zuerst wie einen Sack Mehl über die Schulter. Ihre Tritte gingen ins Leere. Er hatte sie vollkommen unter Kontrolle. Immer noch hielt er ihr den Mund zu, und langsam wurde ihr der Atem knapp. Sie konnte lediglich seine langen, sehnigen Läuferbeine und verhornten Füße erkennen. Mit kraftvollen Schritten bahnte er sich den Weg, der Abstand zu den Sangomas wurde immer größer, und kurze Zeit später konnte sie die Frauen nicht einmal mehr hören.
    Ganz unvermittelt setzte sie der Mann ab. Vor sich sah sie das Dach von Inqaba durch die Bäume schimmern. Sie führ herum. Und sah sich César gegenüber. Aber als sie blinzelte, verschwammen seine Züge, und Sicelo stand da.

    »Man sagt, Umafutha gehört zu den Umthakati, den Hexenmeistern. Du musst sehr vorsichtig sein, Nkosikasi«, murmelte er und verschmolz mit dem flirrenden Grün.
    Verwirrt starrte sie auf die Stelle, wo er eben noch gestanden hatte, versuchte zu verstehen, was hier geschehen war. Er hatte ihr erlaubt, das Fieberkraut in seiner Hütte zu finden, dessen war sie sich sicher, und er musste ihr gefolgt sein, anders war sein plötzliches Erscheinen nicht zu erklären. Liebend gern wäre sie ihm nachgelaufen, um ihn zu fragen, was da im Busch passiert war, wer diese Kreaturen waren, warum sie über sie hergefallen waren wie ein Rudel Hyänen. Al das schoss ihr durch 500
    den Kopf, während sie den Abhang zum Haus geradezu hinunterflog. Die Zeit lief ihr davon. Johanns Leben lief ihr davon.
    Auf dem Hof angekommen, weckte sie Jikijiki und befahl ihr, ein Feuer zu machen. Ohne ihr zerfetztes Kleid auszuziehen, rannte sie in die Küche und zerhackte das Kraut mit zitternden Händen. Immer noch war sie nicht ganz sicher, ob es wirklich das Fieberkraut war. Energisch schob sie ihre Zweifel beiseite. Sicher hatte Sicelo gesehen, was sie gefunden hatte, und würde sie warnen, sollte die Pflanze nicht die richtige sein. Er würde seinem Freund nie etwas Böses zufügen.

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