1 - Schatten im Wasser
weiß, dachte er, was sich daraus noch entwickeln kann. Er schenkte ihr sein träges Raubtierlächeln.
»In der Tat, ich habe noch ein wenig, nicht viel, aber ich bin natürlich gern bereit, das Wenige mit Ihnen zu teilen.« Mit Vergnügen sah er das Aufleuchten in ihren behexend schönen Augen. Er nestelte in seiner Tasche, beförderte eine Dose zum Vorschein und öffnete sie. »Für zwei-oder dreimal dürfte es gerade reichen, und Ihre Anwesenheit, meine Liebe, ist Bezahlung mehr als genug. Führen Sie mich bitte zu dem Kranken.«
Wie ein Blitz überfiel sie die Erinnerung an die Tatsache, dass sie Johann in Kapstadt gebeten hatte, nach einem Grafen Bernitt zu suchen.
Würde er in seinem Zustand diese Verbindung herstellen? Vermutlich nicht, dachte sie, aber sicher ist sicher.
»Es tut mir sehr Leid, aber mein Mann schläft. Ich möchte ihn wirklich nicht stören. Aus dem gleichen Grund«, hier fiel es ihr schwer, weiterzusprechen, aber sie gab sich einen Ruck, »aus dem gleichen Grund kann ich Ihnen auch höchstens diese
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Nacht Unterkunft gewähren. Mein Hausdiener ist verschwunden, ich bin mit einem jungen Zulumädchen ganz allein. Ich hoffe, Sie verstehen das.
Lassen Sie mich Ihnen zeigen, wo Sie schlafen können.« Schweigend ging sie ihm voraus. Red Ivory blieb zurück und kümmerte sich um die Pferde.
Sie stieß die Tür zum Wohnzimmer auf. »Bitte treten Sie ein. Ihr Diener kann in der Hütte unseres Zulus übernachten oder im Kochhaus.«
Konstantin von Bernitt folgte ihr, bemerkte die Löcher in den Sohlen ihrer Schuhe, das geflickte Kleid, erfasste die karge Ausstattung des Hauses und strich sich nachdenklich über das Kinn. Dabei umspielte ein sattes Lächeln seinen Mund.
Johann im Nebenraum nahm nur unterbewusst wahr, dass jemand anderes als seine Frau das Haus betreten hatte. Die Schritte waren laut und fest, ganz anders als ihre leichten. Er hörte das Gemurmel von Stimmen, erst die Catherines, dann eine männliche. Mit großer Schwierigkeit öffnete er die verklebten Lider, blinzelte, als die Strahlen der schon tief stehenden Sonne in seine Augen stachen. Durch die Musselinvorhänge sah er für einen kurzen Augenblick einen schwarzhaarigen Mann, glatt rasiert, angetan mit einer dunkelgrünen Jacke mit Goldknöpfen. Er runzelte die Brauen. Irgendetwas an diesem Mann kam ihm bekannt vor. Die Haltung, die eleganten Bewegungen vielleicht?
Durch den Schleier seiner stechenden Kopfschmerzen versuchte er, diesen Erinnerungsfetzen zu erhaschen, doch vergeblich. Mühsam stützte er sich auf und rief seine Frau, erschrak, wie zittrig und schwach seine Stimme klang. Als sie Sekunden später ins Zimmer eilte, ließ er sich kraftlos zurückfallen. »Wir haben Besuch?«
Sie nickte, ohne ihn anzusehen. »Ja, Mila Arnim hat einen Bekannten mit Kamil e geschickt, damit ich dir einen fiebersenkenden Tee zubereiten kann, und stell dir nur vor, dieser Herr ist im Besitz von einem Rest Chinapulver, den er uns großzügig überlassen wil .«
Misstrauisch starrte er sie an. »Wie kommt er dazu? Wie heißt er?«
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Verlegen räusperte sie sich. »Bernitt«, nuschelte sie schnell und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es ihr gelingen möge, ihn über die Identität ihres Besuchers im Unklaren zu lassen.
Sein Kopf glühte, die Schmerzen pulsierten, immer wieder rutschten seine Gedanken weg. Beim besten Wil en konnte er sich nicht daran erinnern, je diesen Namen gehört zu haben. Offenbar litt er schon unter Halluzinationen. Dieser Mann war ihm offensichtlich gänzlich unbekannt.
Catherine nahm seine Hand, vermied es jedoch, seinem Blick zu begegnen. »Er und sein Begleiter wollen in aller Frühe ihre Reise fortsetzen. Du bist doch einverstanden, dass sie hier übernachten?«
»Natürlich«, murmelte er und schloss die Augen.
Schweißgebadet verließ sie das Zimmer.
Der Graf wartete bereits auf sie und reichte ihr, in Papier gefaltet, das Chinarindenpulver. Er hatte nicht vor, sie wissen zu lassen, wie viel davon er tatsächlich besaß. Huldvoll nahm er ihren überschwänglichen Dank entgegen und sah ihr nach, als sie ins Schlafzimmer hastete, um ihrem Mann sofort die erste Dosis zu verabreichen.
Vor dem Abendessen war sie für eine kurze Zeitspanne mit ihm allein, und bevor sie sich beherrschen konnte, war es ihr herausgerutscht. »Wie geht es Ihrem Freund Pauli? Hat er die Handelsstation am Ogowe eröffnet?« Am liebsten hätte sie die Worte wieder verschluckt.
Erst stutzte Konstantin, seine
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