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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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vollen Segeln glitt über den Horizont, der Himmel schimmerte wie Perlmutt.
    »Ich werde den Sonnenaufgang über dem Meer sehen können«, sagte sie und schaute einem Schwärm weißer Reiher nach, die am Wassersaum entlang nach Norden flogen.
    Sie schlief wunderbar in der ersten Nacht in ihrem Haus am Meer.

    *
Von der fast senkrecht stehenden Hochsommersonne seit Wochen aufgeheizt, war das Meer in diesem Januar besonders warm. Störche lärmten am Ufer der Lagune, Flamingos stolzierten im flachen Wasser, und eine weiße Wolke eleganter Seeschwalben fischte hinter der Brandung.
    Wie jeden Morgen waren die Steinachs mit der Sonne aufgestanden und schwammen im Schutz zweier parallel verlaufender Felsbarrieren. Hier war das Meer ruhig und klar, doch draußen warf es sich mit so unvorstellbarer Kraft auf das Riff, dass selbst Catherine nicht wagte, außerhalb dieser Barrieren zu schwimmen.
    Sie watete durch das gläserne Wasser auf den Strand, legte die Austern, die sie von den Felsen geschlagen hatte, zu den Miesmuscheln und Langusten in den geflochtenen Korb, band ihn zu und stellte ihn zurück in den schattigen Tidenteich. Ein Schwärm Jungfische stob davon, wie Silberflitter in dem gläsern klaren Wasser. Sie hielt ihre Hand hinein, ganz ruhig, und bald
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    kamen die Fischchen zurück und begannen an ihrer Haut zu knabbern. Es kitzelte. Eine Gruppe Schmetterlingsfische, silberglänzend, mit leuchtend gelben Markierungen, schwammen in geordneter Formation vorbei, und zwei winzige Feuerfische flirteten hinter ihren Schleierflossen mit den tanzenden Sonnenflecken.
    Johann stand regungslos auf einem gischtumtosten Felsen, den Assegai Sicelos in der Faust, und lauerte darauf, dass die Languste, deren rot geringelte Fühler unter dem überhängenden Felsen hervorragten, sich endlich bequemte herauszukommen. Urplötzlich holte er aus, der Speer sauste herunter, das Wasser spritzte auf, und dann streckte er ihn hoch über den Kopf und zeigte stolz das zappelnde Tier. »Das wird ein Festmahl werden. Lass uns zurückgehen, ich habe Hunger«, rief er ihr zu und watete durch die Gischt an Land. Er schwang den Korb auf den Rücken. »Der Wind hat auf Norden gedreht«, begann er, aber bevor er den Satz zu Ende bringen konnte, stieß Catherine einen Schmerzensschrei aus.
    »Verflixt, gibt es hier denn auch Bienen im Wasser?« Sie hüpfte auf einem Bein in der zurückströmenden Welle. »Irgendetwas hat mich übel gestochen.« Auf ihrem Bein wuchs eine lange Spirale von Blasen, rote, bösartig aussehende Blasen, die sich von ihrem Fußgelenk bis zum Knie zogen. »Es tut gemein weh!«
    Er nahm eine Hand voll Sand und rieb ihr Bein ab. »Dich hat eine Portugiesische Galeere erwischt, eine Qualle. Eben wollte ich dich davor warnen. Der Nordostwind spült sie an Land. Da schwimmt eine.« Er zeigte auf ein daumengroßes Gebilde, das aus kobaltblauem Glas zu sein schien und munter im Wind an der Wasseroberfläche segelte. »Dort und dort und hier am Wellensaum sind noch mehr. Sie haben lange, fast unsichtbare Fä-
    den, die sich blitzschnell um ihre Opfer wickeln. Komm, ich weiß Abhilfe.«
    Er zog sie über den glühend heißen Sand die Düne hinauf. Dort wuchs ein Teppich von langen Ranken, hier und da glühten magentarote Margeritenblüten in dem saftigen Grün.
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    »Das Eiskraut«, rief sie. »Wie hübsch es ist.« Sie trat von einem Fuß auf den anderen. »Beeil dich, es ist, als stünde ich auf feurigen Kohlen.«
    Johann quetschte den Saft aus den fleischigen Blättern und schmierte ihn so großzügig wie möglich auf die Blasen. »Hilft es?«, fragte er besorgt, aus eigener leidvoller Erfahrung wohl wissend, wie schmerzhaft die Stiche dieser Qualle waren.

    »Etwas zumindest. Ich sollte mir auch meine Fußsohlen damit einschmieren. Ich bin sicher, sie haben im heißen Sand Blasen gezogen.«
    Sie sprintete hinunter zum Wassersaum und kühlte ihre Füße in dem sahnigen Schaum der auslaufenden Wellen. Hand in Hand stapften sie dann über den windgeglätteten Sand zurück zu ihrem Haus.
    Jabisa und Diboli hatten bereits ein Feuer unter einem großen Kessel entfacht. Mit einer deftigen Drehbewegung zog Catherine das Krustentier vom Speer und warf es in das sprudelnd kochende Meerwasser. Es gab einen hohen Fiepton von sich, als die Luft aus dem Panzer entwich, und verfärbte sich feuerrot. Als das Wasser wieder sprudelte, folgten nacheinander die anderen Langusten. Nach zehn Minuten befahl sie den Mädchen, den Topf vom Feuer zu

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