1 - Schatten im Wasser
erkennen war.
»Ist Ihr Hengst eigentlich je wieder aufgetaucht?«
Mr. Court nickte. »Arg lädiert zwar, aber während der vergangenen Monate habe ich ihn aufgepäppelt. Bald ist er so gut wie neu.«
Andrew Sinclair, der eben vom Strand heraufstapfte, fuhr sich mit dem Finger in seinen Hemdkragen. »Ungewöhnlich heiß heute, was? Macht es den Damen etwas aus, wenn wir die Krawatten ablegen?« Auf ihr Nicken löste er dankbar den seidenen Knoten und öffnete die obersten Hemdknöpfe. »Nun, Francis,
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sag mir, was du vorhast?«, wandte er sich an seinen Freund. »Offenbar hast du den Gedanken an Pferdezucht noch nicht aufgegeben?«
»Korrekt, mein Lieber, hat man mir doch gesagt, dass hier ein großer Mangel an guten Pferden herrscht. Das Klima in Pieter- maritzburg soll sich hervorragend zur Aufzucht von Rennpferden eignen ...«, hörte Catherine Mr. Court antworten. Sie wandte sich ab und verschwand mit den übrigen Damen in ihrer Hütte, um ihnen zu zeigen, wo sie übernachten konnten.
Lil y nahm sie sofort in den Arm. »Geht es dir gut, meine Liebe? Es tut uns allen so entsetzlich Leid.«
»Ich möchte nicht darüber reden. Es schmerzt zu sehr, und es ändert nichts, wenn ich jammere«, sagte Catherine. »Ich habe mich entschlossen, nach vorn zu sehen. Sag mir doch, wie geht es dir? Ich war erstaunt, dich in deinem Zustand hoch zu Pferd zu sehen.«
Lil y strich sich über den erst wenig vorstehenden Bauch. »Ich bin zäh wie Hosenleder, gutes Pioniermaterial«, kicherte sie. »Außerdem sind wir langsam geritten, und da wir gekommen sind, euch abzuholen - was, das weißt du noch gar nicht?«, rief sie aus, als sie Catherines überraschte Miene sah. »Hast du die Einladung zu unserem Ball vergessen, den wir anlässlich des großen Pferderennens veranstalten? Da wirst du dich doch standesgemäß ausstatten wollen? Du hast noch Zeit genug.« Als sie den verblüfften Gesichtsausdruck ihrer Freundin sah, lachte sie. »Wie ich sehe, hat Johann auch diese Überraschung für sich behalten. Welch ein Schlingel ist er doch!«
*
Johann verkaufte gleich nach ihrer Ankunft in Durban sein Elfenbein für einen sehr guten Preis. Die riesigen Elefantenherden waren rarer geworden, die meisten der Dickhäuter hatten sich weit in den Norden verzogen, und so erzielte er so viel, dass ihre akuten Geldsorgen vorüber waren. Mit großer Erleichterung bezahlte er seine Schulden bei Lloyd Gresham und George Cato so
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fort. Dann führte er seine Frau die West Street entlang, wo sich ein Laden an den anderen reihte, und fragte: »Was begehrt dein Herz?«
Catherine war sprachlos. Durban summte wie ein Bienenkorb. Überall waren Läden aus dem Boden geschossen, es gab Sachen zu kaufen, von denen sie kaum zu träumen wagte.
»Mit den Einwandererschiffen des letzten Jahres sind Tausende nach Natal gekommen, Handwerker, Bauern, auch Abenteurer natürlich, aber hauptsächlich brave Leute, die hier ein neues Leben aufbauen wollen«, erklärte er ihr diese wundersame Wandlung.
Auf dem Marktplatz, ein von Palmen, Natalfeigen und wilden Bananen überwucherter Grasplatz und als Zentrum von Durban eine Schande, hatte ein Mr. Currie den ersten großen Verkaufsstand für Farmprodukte errichtet.
Doch Fensterglas, bemerkte sie mit Enttäuschung, gab es in der Kolonie noch immer nicht.
Sie trafen Tim Robertson, der ihnen voller Begeisterung sein neues Zelt zeigte, das er neben dem aufgebaut hatte, in dem er noch immer mit seiner Familie hauste. »Ich habe bereits ein Grundstück erworben«, erzählte er mit sichtlichem Stolz. »Die ersten Arbeiten für unser Haus haben begonnen.«
»Ihre Frau wird froh sein«, bemerkte Catherine trocken. Zu ihrem Entzücken sah sie, dass er neben seinem »Durban Chro- nicle« auch Bücher und Papier verkaufte. Jane Robertson erwartete ihr sechstes Kind, wie unschwer zu sehen war, ihre kleine, am Strand geborene Tochter konnte gerade laufen, und die vier anderen hatten nichts von ihrem überschäumenden Tatendrang verloren.
»Deswegen kann ich nicht an den Festivitäten teilnehmen«, erklärte Jane, die blass und mitgenommen wirkte, und zeigte auf ihre quirlige Kinderschar.
*
Der große Tag des Rennens kam mit klarem Himmel und strahlendem Sonnenschein. Al e Geschäfte schlossen um die Mittags 647
zeit, und fast die gesamte Bevölkerung Durbans versammelte sich auf dem buschbewachsenen Grund zwischen der Umgeni Street und den Sümpfen.
Seile und Pfähle mit Fähnchen markierten die Rennstrecke.
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