1 - Schatten im Wasser
Der Besitzer von McDonald's Hotel hatte eine behelfsmäßige Tribüne aus Holz und Segeltuch errichtet, mit Holzplanken als Sitzen und einer Bar, wo er Bier ausschenkte. Etwa hundert Leute konnten dort Platz finden, doch die meisten saßen auf ihren Ochsenwagen neben der Rennstrecke, von denen die Planen für ungehinderte Sicht entfernt worden waren. Die Schwarzen, die sie begleiteten, mussten Kaffee kochen und Erfrischungen herumreichen.
Das Rennen interessierte Catherine weniger. Sie musterte voller Neugier die flanierenden Damen. Wagenradgroße Hüte mit wallenden Federn gab es, Seidenkleider, deren Röcke die Trägerinnen achtlos am Boden schleifen ließen, und Schuhe, richtige Schuhe mit Absätzen. Die burischen Damen waren meist praktischer gekleidet, mit festen Stiefeln, großen Schultertüchern und Röcken, die so gekürzt waren, dass sie nicht den Boden fegten.
Als die Rennen gelaufen waren, begaben sich die Steinachs mit Lil y und Andrew zu deren Haus, wo sie während ihres Aufenthaltes in Durban wohnten. Al e Zimmer der Hotels und Pensionen waren ausgebucht, damit sich die Damen dort frisch machen und umziehen konnten. Ein Ladenbesitzer namens Mil er staffierte seinen Planwagen als Droschke heraus und verdiente sich eine goldene Nase, denn es war der einzige Wagen, in dem die Damen unbeschädigt zum Haus der Sinclairs gebracht werden konnten. Ein Fußmarsch auf Durbans mit Steinen, Abfall und tiefen Löchern übersäten Straßen hätte jede Fußbekleidung ruiniert. Zu allem Überfluss öffnete der Himmel seine Schleusen, und die Straßen verwandelten sich in eine Schlammwüste. Ein findiger Tischler entfernte den Deckel von einer Packkiste, stellte diese hochkant, brachte außen Tragestangen und innen ein mit Kissen gepolstertes Brett als Sitz an, und baute so Durbans erste Sänfte. Von kräftigen Zulus getragen, war sie heiß begehrt, und bald zogen ihm die Münzen die Taschen herunter.
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Cil a kam in einem Tragestuhl an, den Catherine erst auf den zweiten Blick als umgebaute Schubkarre erkannte. Per hatte einfach die Räder abmontiert und dafür Stangen angebaut. Die Ladefläche polsterte Cil a mit Decken und Kissen aus, drapierte ihren weiten Rock um sich und setzte sich mit angezogenen Beinen aufrecht hinein. In der Hand hielt sie einen Regenschirm, im Schoß ihr Kind. Von vier seiner Schwarzen ließ Per so seine Frau und seinen Sohn zum Ball transportieren.
Als es Zeit war, schritt Catherine, prächtig wie ein schimmernder Schmetterling in pfauenblauer Seide, Schuhen mit kleinen Absätzen und dem Goldkäferknopf am Ausschnitt strahlend an Johanns Arm die Treppe hinunter.
Dieses Kleid hatte er ihr geschenkt und ein weiteres für den Tag. Die Extravaganz hatte er sich geleistet, um das Leuchten wieder in ihre Augen zu zaubern. Gegen seinen Protest hatte sie sich allerdings auch eine Männerhose gekauft, für die Arbeit im Garten und auf dem Feld, wie sie sagte. Natürlich hatte die Frau des Ladenbesitzers nichts Besseres zu tun gehabt, als diesen Skandal schnellstens zu verbreiten, und schon auf dem Rennen war er Stadtgespräch. Die Frauen tuschelten mit boshaft funkelnden Augen, Männer nickten Catherine mit einem Lächeln zu, das Johann für anzüglich hielt, und musterten sie verstohlen mit diesem Blick, der für ihn eine Intimität hatte, die jede Grenze des Anstands weit überschritt. Catherine jedoch schien das alles nicht zu berühren.
Er stand ein wenig abseits von ihr und konnte sie beobachten. Eine Gruppe Offiziere drängte sich um sie, buhlte um ihre Gunst, und sie spreizte ihre Federn und funkelte und schil erte, warflachend ihren Kopf mit der glänzenden Haarpracht zurück und zeigte dabei ihren langen, eleganten Hals. Ihre Gesten waren lebhaft, die Augen blitzten, sie plauderte geistreich und amüsant, und die Offiziere hingen an ihren Lippen. Ihn überfiel der Gedanke, wie sehr sie doch in eine solche Umgebung gehörte, zwischen kultivierte Menschen, in einen Saal wie diesen und nicht in die Einsamkeit der Wildnis von Inqaba, und sein Herz wurde ihm schwer. Im Zwiespalt zwischen Stolz und Schamge
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fühl wünschte er sich für sie doch ein wenig von dem zurückhaltenden, demutsvollen Auftreten seiner sittenstrengen Mutter und seiner Schwestern.
Lil y bahnte sich einen Weg durch die Offiziere. »Catherine - welch ein hinreißendes Kleid«, rief sie ohne Neid. »Ah, da ist ja auch Johann.« Sie führte ihre Freunde in die Festräume. Stimmengewirr, Gläserklingeln, die Hitze
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