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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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fand sie die Kraft, sich Notizen und Papiere ihres Vaters vorzunehmen. Sie musste sich Klarheit verschaffen, ob sie sich in der unangenehmen Lage befand, so schnell wie möglich einen vermögenden Ehemann suchen zu müssen, um versorgt zu sein.
    Grauenvoller Gedanke, dachte sie, als sie mit fliegenden Fingern durch die Unterlagen blätterte, vor allem, was die Dinge anging, die man als die Pflichten der Ehefrau bezeichnete und deren Ergebnis dann neun Monate später in der Wiege schrie, während meist das nächste Kind schon im Bauch heranwuchs. Es überfielen sie keinerlei mütterliche Gefühle, wenn sie ein Kleinkind sah; sie fand Babys eigentlich ganz außerordentlich hässlich mit ihren zerknautschten, roten Froschgesichtern und sehnte sich überhaupt nicht danach, ein Nest zu bauen. Wel-85
    chen Mann aber sollte sie wählen, wenn sie gezwungen war, eine Ehe einzugehen?
    Niedergeschlagen ließ sie im Geiste die ihr bekannten Herren vorbeimarschieren und sah nur feiste Bäuche, gelbe Zähne, krumme Rücken und kurzsichtige Augen, wie sie Menschen bekommen, die ständig ihre Nase in Büchern vergraben. Keiner von ihnen war viel jünger als ihr Vater. Eine veritable Heiratswüste. Bis auf Konstantin von Bernitt natürlich.
    Sie stützte ihr Kinn in die Hand. Der aber kroch irgendwo im Dschungel herum. Wie sollte sie seiner habhaft werden?
    Als ein ebenso erschreckender Gedanke erschien ihr die Möglichkeit, ihr Leben als Gouvernante einer kreischenden Kinderschar fristen zu müssen, die noch nicht einmal ihr eigen Blut war. Während sich diese Überlegungen in ihrem Kopf breit machten, blätterte sie weiter in den Papieren und stieß bald auf den Namen eines Freundes ihres Vaters in der Kapprovinz.
    Hoffnung flammte in ihr auf. So würde sie nicht ganz allein in diesem fremden Land sein. Wer dieser Freund war und unter welchen Umständen er dort lebte, wusste sie nicht, wie ihr auch kaum etwas über die Kapprovinz bekannt war. Natürlich hatte sie gelernt, dass sie an der Südspitze Afrikas lag, auch über die Geschichte der holländischen Handelsniederlassung, aus der die Stadt erwachsen war, wusste sie in groben Zügen Bescheid. Aber sonst hatte sie keine Vorstellung, wie das Leben dort aussah, ob es wie am Kongo Urwald gab, ob der auch so feucht und ungesund war und die eingeborene Bevölkerung genauso primitiv.
    Ihre und Wilmas Passage war bis Kapstadt bezahlt. Die Quittungen und die Adresse des »Good Hope Guesthouse«, in dem ihr Vater geplant hatte zu logieren, fand sie in den Unterlagen. Sicher würde sie dort ein wenig verweilen können, um zu entscheiden, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Vielleicht war ihr das Schicksal ja wohlgesonnen und bescherte ihr ein Wiedersehen mit Konstantin. Al ein der Gedanke brachte sie zum Glühen.
    Eifrig wendete sie die Seiten und fand zu ihrer großen Erleichterung, dass ihr Vater trotz seiner Weltfremdheit und Vor-86
    liebe für Insekten nicht die gesamten Einkünfte aus seinen Büchern in seine Forschungsreisen gesteckt, sondern zumindest einen kleinen Teil gespart hatte. Doch die monatlichen Zinsen waren bescheiden, und sie befürchtete, dass sie über kurz oder lang die Kapitalsumme würde angreifen müssen.
    Bis in die Nacht saß sie über den Papieren, rechnete beim trüben Schein einer Kerze alles durch. Die größte Schwierigkeit für Sie war abzuschätzen, wie viel Geld sie jährlich benötigte, um einigermaßen unabhängig zu sein, denn über die Kosten des täglichen Lebens hatte sie sich nie Gedanken gemacht. Wilma würde ihr da weiterhelfen müssen. Sie klopfte an deren Kabinentür und trat ein.
    »Gib mir bitte die Tinte und meinen Federkiel«, sagte ihre Lehrerin, als Catherine ihr Anliegen vorgetragen hatte. Sie bewegte ihre Lippen, während sie einige Zahlen notierte, prüfte, zusammenrechnete und wieder prüfte. Endlich unterstrich sie eine Zahl. »Wenn du sparsam lebst, brauchst du diese Summe. Schränkst du dich stark ein, das heißt, keine neuen Kleider, einfache Lebensmittel, keine Kutschen und Ähnliches, kommst du damit aus.« Ihr Zeigefinger lag auf der zweiten Summe, die weniger als zwei Drittel der ersten betrug.
    Catherine bedankte sich und lief zurück zu ihren Papieren, und als die Kerze fast niedergebrannt war, legte sie todmüde ihren Federkiel beiseite und lehnte sich in dem harten Stuhl zurück. Was sie gefunden hatte, trieb ihr Tränen der Dankbarkeit in die Augen. Wenn sie sich nach Wilmas Vorschlag sehr stark einschränkte,

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