1 - Schatten im Wasser
erkannt hatte, dass es kein Wunder war, sondern eine völlig logische Lösung.
»Ein sehr großes«, bestätigte Johann.
»Warum müssen wir mit dem Schiff fahren?«
»Mein Haus ist fertig. Ich wil nach Kapstadt segeln, um mir eine Frau zu suchen.«
Ungläubig sah ihn der Zulu an. Dass es eine große, bedeutende Stadt hinter dem Rand seiner Welt gab, hatte er von Weißen gehört, die mit den Zulus Handel trieben. Geglaubt hatte er es nie. Keiner seines Stammes hatte sie je erblickt, auch nicht die, die wochenlang übers Land gezogen waren, um die Rinder anderer Häuptlinge zu stehlen. »Du wil st übers große Meer, um dir in der Ferne eine Frau zu suchen, wo es hier genügend junge, kräftige Zulumädchen gibt und jeder Häuptling dir mit Freude eine oder mehrere seiner Töchter geben würde?« Er grinste. »Natürlich nur, wenn du Lobola zahlst, den Brautpreis, und bei einer Häuptlingstochter wird der nicht niedrig sein, mindestens dreißig Kühe. Du nennst viel Vieh dein Eigen. Du hättest die Wahl unter den besten. Kaufe dir zwei oder drei Frauen, die werden dann Töchter bekommen, für die du pro Stück mehr als dreißig Rinder als Lobola erhalten wirst. Du wirst reich sein und den ganzen Tag unter einem Baum sitzen und Bier trinken können.«
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Johann lachte laut. Der Geschäftssinn der Zulus war legendär. »Würdest du eine weiße Frau heiraten?«, fragte er listig und freute sich, Sicelo damit festzunageln.
Sicelo grinste noch breiter. »Eine Frau, deren Gesicht die Farbe von Maisbrei hat, die bestimmt so dünn ist, dass sie selbst ein Krokodil verschmähen würde? Mein Freund, ich denke nicht.«
Jetzt hab ich dich, dachte Johann und setzte eine überlegene Miene auf.
»Nun, so wie für dich eine weiße Frau zu fremdartig ist, wäre es für mich ein Zulumädchen.«
Doch Sicelos Grinsen bekam etwas eindeutig Anzügliches. »Das hindert dich aber nicht daran, in die Hütte von Jikijiki, die reif und süß ist wie ein saftiger Ipetshisi, zu kriechen, wenn es dich juckt.«
»Touché«, murmelte Johann und musste sich eingestehen, dass er dem schlauen Zulu in die Falle getappt war. Sicelo hatte einen guten Vergleich gewählt. Ipetshisi hieß der reife Pfirsich, aber das Wort bezeichnete auch ein hübsches Mädchen, und das war Jikijiki unzweifelhaft. Er hob die Brauen. »Seit fast zehn Jahren habe ich keine weiße Frau mehr angefasst.
Ich bin ein Mann.« Er streckte sich, zuckte aber zusammen, als sich seine verrenkte Schulter mit einem scharfen Schmerz meldete.
Es war ein anstrengender Tag gewesen. Seit Sonnenaufgang war er über sein Land geritten, um nach dem Rechten zu sehen. In letzter Zeit waren immer wieder räuberische Zulutrupps über seine Grenzen gekommen und hatten sein Vieh gestohlen. Er ahnte, wer dafür verantwortlich war. An Inqabas Südgrenze lebte Häuptling Khayi mit seiner Sippe, der ihm das Gebiet neidete, das ihm König Mpande zugewiesen hatte. Dieses Mal hatte er jedoch keinen Beweis für Übergriffe gefunden, sondern ein Leopard hatte eins der Rinder erwischt. Die große Raubkatze musste erst kurz vor Tagesanbruch zugeschlagen haben. Der Bulle lebte noch, als Johann ihn fand. Die aufgeregten Schreie einer Pavianherde hatten ihn gewarnt, und kurz daraufhatte er aus dem dichten Busch, der in unmittelbarer Nähe eine flache Anhöhe hochwucherte, ein trockenes Husten gehört. Der Leopard war also noch in der Nähe, doch er hatte sich nicht darum
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gekümmert. Ihm waren nur zwei Fäl e bekannt, wo eine der gefleckten Katzen einen Menschen gerissen hatte.
Das Rind war nicht zu retten gewesen. Er musste dem Tier die Kehle durchschneiden, Pulver und Kugeln waren knapp, und das Blei, um neue zu gießen, ging auch zur Neige. Das verletzte Tier war ein ausgewachsener Bulle, und er hatte seine ganze Kraft gebraucht, dessen Kopf festzuhalten, während er das Messer ansetzte. Dabei hatte er sich seine Schulter verrenkt.
»Hast du ein wirksames Muti gegen meine Schmerzen?«, fragte er seinen Freund.
Sicelo legte seine Fingerspitzen auf die verkrampfte Muskulatur, drückte an mehreren Punkten, und jedes Mal verzog Johann sein Gesicht. Der Zulu nickte. »Umgwenya oder Umsinsi«, murmelte er und verschwand im blauen Schatten der Büsche.
Johann knetete seine Schulter. Wilde Pflaume oder die zu Puder verriebene, gebrannte Borke des Kaffirbaums. Das würde helfen. Sicelo war ein begabter Inyanga, ein Kräuterheiler, und schon mehr als einmal hatte er ihm seine Kunst bewiesen. Seitdem
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