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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Nachts, als er zusammengerollt in seiner Decke am Lagerfeuer schlief, mit einem Stein eins über den Kopf gezogen und seine Satteltaschen ausgeräumt hatte.
    Das übrige Gold, den kostbaren Smaragdring, den Lageplan der Fundstelle am Fluss, sein Pferd, sogar seine Schuhe, alles hatte er mitgenommen, nur die paar Goldstücke und den Perlring hatte er nicht gefunden.
    Noch heute war Johann froh, dass er wenigstens diesen kleinen Schatz, mit Pferdeschwanzhaaren als Garn und einem am dicken Ende gespaltenen Stachel des Stachelschweins als Nadel, zuvor in seinem Gürtelbund eingenäht hatte. Sein Nähzeug, das er überall mit sich führte, hatte er im Fluss verloren, und diese Prozedur war mehr als mühselig gewesen, aber sie hatte sich gelohnt. Doch bevor er auch den Rest seines Fundes hatte verstecken können, passierte es.
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    Der Schurke ließ ihn als tot zurück, und fast wäre es auch wirklich so weit gekommen. Wäre das Wetter nicht umgeschlagen und hätte die Dürre durch einen Stunden andauernd Wolkenbruch beendet, wäre er schon am nächsten Tag entweder verdurstet oder an einem Sonnenstich gestorben.
    So aber überlebte er, und irgendwann musste er wieder zu sich gekommen sein. Bis heute konnte er sich an die Tage danach nicht erinnern.
    Seine erste bewusste Erinnerung waren beißender Rauchgeruch und laute Stimmen gewesen.
    Er hatte sich aufgesetzt und verwirrt um sich geblickt. Schnell begriff er, dass er sich in einer Zuluhütte befand, in deren Mitte ein Feuer flackerte.
    Der einzige Abzug war das nur wenig mehr als kniehohe Eingangsloch, und der stechende Rauch vernebelte den kreisrunden Raum, hing in Schwaden in dem geflochtenen Grasdach. Die Gesichter zweier Zulufrauen schwebten wie schokoladenbraune Monde über ihm. Sie redeten ungeniert über ihn, machten Bemerkungen über seine Hautfarbe, hatten ihn mit einem Engerling verglichen, der noch unter der Erde lebte, und begutachteten, was sich zwischen seinen Beinen befand. Trotz stechender Kopfschmerzen und den zuckenden Blitzen vor seinen Augen war ihm das entsetzlich peinlich gewesen, besonders als er entdeckte, dass er vollkommen nackt war.
    Es stellte sich heraus, dass die Frauen einem der von Shaka Zulu vor Jahren versprengten Clans angehörten, die noch nie einen Weißen aus der Nähe gesehen hatten. Beim Kräutersam- meln hatten sie ihn entdeckt, weitab von ihrem Dorf. Mehrere Männer waren nötig gewesen, um ihn dorthin zu transportieren. Sie behandelten ihn wie einen hochgeehrten Gast. Eine Sangoma wurde gerufen, um die Ahnen zu befragen, was es mit dem Fremden auf sich hatte. In einer Tonschale verbrannte sie Kräuter, sog ihren Rauch in tiefen Zügen in sich hinein, und dann begann sie zu tanzen.
    Mit geschlossenen Augen tanzte sie, bis sich ihr das Reich der Ahnen öffnete und ihr Eintritt gewährte.
    Außer süßlichem Brandgeruch, dem monotonen Rhythmus ihres Gesangs und einem starken Druck auf seinen Ohren be 103
    kam Johann nichts davon mit. Auf Geheiß ihrer Vorfahren bereitete die Sangoma aus der Wurzel einer Pflanze, die große, grüne Früchte mit weichen Stacheln trug, ein bitter schmeckendes Gebräu. Zweimal am Tag reichte man ihm dann einen halben Schöpflöffel voll.
    »Um deinen Körper zu stärken«, belehrte ihn eine der Frauen, die immer wieder aufgeregte Verwunderung darüber ausdrückte, dass dieser Fremde, dessen Haut ohne Farbe war, ihre Sprache sprechen konnte. Schüchtern erzählte ihm die Älteste, sie hätten bisher immer geglaubt, dass die weiße Rasse am Grund des Meeres lebe, Perlen sammle und ab und zu auf geflügelten, weißen Tieren an Land ritte, um Elfenbein zu suchen, von dem sie sich ernährten.

    »So erzählen es unsere Ältesten, und so haben die es von ihren Vorfahren übernommen. Ernährst du dich von Elfenbein?«
    Er lachte und schüttelte verneinend den Kopf, bereute es jedoch sogleich, als ihm glühende Eisen durch den Schädel fuhren.
    Der Inyanga des Stammes bereitete aus einer Blumenzwiebel eine Paste, die er ihm auf Nacken und Stirn strich. Die Pflanze trug an ihrem langen Stängel eine hellblaue Blütenkerze, und der Kräuterheiler nannte sie Inguduza. Johann merkte sich den Namen, denn er spürte bald Linderung; Jahre später sollte er noch eine andere Wirkung dieser hübschen Blume kennen lernen. Interessiert beobachtete er den Inyanga bei seiner Arbeit.
    Über dem Feuer kochte er einen Sud aus einer weiteren Zwiebel, kühlte diesen in einem Lehmgefäß und kniete sich dann mit diesem Gefäß

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