Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
Wasserreservoir war fast leer. Wenn es nicht in den nächsten zwei Tagen ergiebig regnete, würde er das Wasser vom Fluss heraufbringen lassen müssen. Er schaute den Abhang hinunter. Auch das Wasserloch tief unter ihm, das vom Krokodilfluss gespeist wurde, war schon ziemlich verschlammt. Wasser von dort nach oben zu schaffen würde eine Sauarbeit werden. Vielleicht sollte er doch eher zum Sangoma, dem Zauberdoktor, gehen und ihm ein Huhn bezahlen, damit er die Ahnen um Regen bat. Es gab weit und breit keine Kirche, in der er eine Kerze hätte anzünden können, um seinen Gott darum zu bitten.
    Vor den Guavenbäumen blieb er stehen. Sie wuchsen in Natal wie Unkraut, was auf einen durchreisenden Händler zurückgeführt wurde, der angeblich eine faulende Frucht wegwarf, die wiederum ein Vogel aufpickte und darauf die Samen in seinem Kot übers Land verteilte. Zu seiner großen Freude entdeckte er, dass die Bäume erste Blüten angesetzt hatten. Im Februar würden sie tragen, falls sie nicht den Affen oder irgendeiner anderen Pest zum Opfer fielen. Ein weiterer prüfender Blick auf die Orangenbäumchen ergab, dass diese zum ersten Mal winzige grüne Knubbel ausgebildet hatten. Anfang des Sommers würden sie zu goldgelben Orangen gereift sein. Zufrieden sah er sich um. Jetzt fehlte nur noch eine Frau, die Marmelade daraus machen konnte. Emilie, seine Nachbarin, die seit dem Tod ihres Mannes mit ihrem Faktotum Pieter, einem knorrigen, alten Buren, ihre Farm al ein führte, hatte da ein leckeres Rezept.
    96
    Doch erst galt es, das größte Problem zu überwinden. In Natal gab es nur wenige Frauen, und wenn eine landete, die unverheiratet war, blieb sie es nicht lange. Außerdem hatte er noch keine gesehen, die ihm gefallen hätte. Die blassen, blutlosen Engländerinnen mit ihrem gezierten Gehabe waren nichts für ihn, und er war nicht bereit, sich mit einer Frau zu verbinden, nur um warmes Essen und ein warmes Bett zu haben. Bis dass der Tod euch scheidet, das war sein Credo, und so würde es sein. Mit der Frau, der er seinen Ring an den Finger steckte, beabsichtigte er sein ganzes Leben zu verbringen.
    Vor vielen Jahren, in seiner Heimat, hatte er eine gekannt. Die Grita, die älteste Tochter vom Nachbarbauern. Schwarze Haare, die Augen so blau wie die Kornblumen am Wiesenrand und eine Haut so süß und fest und rosig wie ein reifer Pfirsich. Sie lachte und sang und funkelte vor Lebendigkeit und Lebensfreude. Noch heute träumte er von ihr, obwohl es schon gut zehn Jahre her war, dass er sie zum letzten Mal gesehen hatte, und in seinen Träumen lag er bei ihr. Wenn er aufwachte, war dieses Ge-fühl der Leere in ihm, das ihn schmerzte wie eine Wunde.
    »Sicelo, komm her! Wir haben etwas vor«, brüllte er. Kurz darauf spürte er einen Luftzug und wusste, dass der große Zulu neben ihm stand. Es war seine Art, lautlos aus dem Nichts aufzutauchen. Anfänglich war es Johann unheimlich gewesen, aber im Laufe der Jahre hatte er sich daran gewöhnt.
    »Wir machen eine Schiffsreise«, verkündete er und streifte seinen Freund mit einem spöttischen Seitenblick. Er kannte die Antwort. Sicelo betrachtete den Strand als Grenze seiner Welt und reagierte, wie er es erwartet hatte.
    Der Zulu hob sein Kinn und verschränkte die Arme. »Cha. Nein.« Das war alles, was er von sich gab.
    »Was hast du dagegen?«
    »Bin ich ein Fisch?« Sicelo bückte sich und warf einem Pavian, der sich im Maisfeld den schönsten Kolben geschnappt hatte, einen Stein auf den Pelz. Der große Affe wich keinen Zoll, entblößte fauchend sein bösartiges Gebiss, das selbst Leoparden imponierte, und fraß unbeeindruckt weiter.
    97
    »Du sollst nicht im, sondern auf dem Wasser schwimmen. Ein großes Schiff wird dich tragen. Es ist aus Holz, es schwimmt oben.«
    Sicelo ging wortlos zu einem hohlen Stein, in dem eine Pfütze vom letzten Regen stehen geblieben war, brach einen gegabelten Ast von einem Busch und legte ihn auf die Wasseroberfläche. »Da, es schwimmt.« Nun klaubte er einen Stein aus der Erde und balancierte ihn vorsichtig auf der Gabel. Der Ast sank. »Bheka! Sieh!« Damit verschränkte er wieder die Arme und musterte seinen Freund mit undurchschaubarer Miene.
    Johann schmunzelte verschmitzt, suchte einen kleineren Stein und legte ihn behutsam auf den Ast. »Hier, bitte - er schwimmt.«
    Sicelo runzelte misstrauisch die Stirn, während er das Wunder eingehend untersuchte. »Wird es ein großes Schiff sein?«, fragte er und bewies damit, dass er

Weitere Kostenlose Bücher