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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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zunehmend auf die Nerven. »Ich werde versuchen, die Freunde meines Vaters zu finden«, teilte Catherine ihrer Gesellschafterin beim Frühstück mit. Nachdem sie die letzte Tasse starken Tees getrunken hatte, erkundigte sie sich bei der Pensionsbesitzerin, wo die angegebene Adresse der Simmons' zu finden sei.
    »Einen halbstündigen Fußmarsch entfernt, immer die Straße hinauf«, lautete zu ihrer Erleichterung die Antwort. So brauchte sie nicht das Geld für eine Kutsche auszugeben.
    Mit einem kohlegefüllten Plätteisen, das sie sich von Mrs. Hal- liwell, der Haushälterin des Gästehauses, erbeten hatte, glättete sie ihr Ausgehkleid.
    Es war aus flaschengrünem Krepp mit enger, spitz zulaufender Tail e und schmalen Ärmeln, und eigentlich gehörte eine wippende Krinoline unter den weiten Rock, aber dafür war natürlich an Bord des Schiffes kein Platz gewesen.
    »Du kannst doch nicht ohne Trauerkleidung auf die Straße gehen«, rief Wilma entsetzt, als sie sich verabschiedete. »Dein Vater ist kaum vier Wochen tot.« Sie strich über ihr Kleid, das von tiefstem Schwarz war. Der hohe Kragen ließ ihr Gesicht dramatisch weiß leuchten.
    Aber Catherine wusste, dass sie nur zwei Kleider besaß. Eins war braun und das andere eben schwarz. Sie trug sie im wöchentlichen Wechsel.
    »Mein Verlust ist meine Privatsache. Wie es in meinem Herzen aussieht und wie ich um meinen Vater trauere, geht niemanden etwas an. Ich brauche das nicht marktschreierisch kundzutun«, antwortete sie knapp, wil igte aber um des lieben Friedens ein, dass ihr Wilma schwarzen Trauerflor auf den Ärmel nähte.
    Sie polierte ihre zierlichen Lederschühchen mit den vielen Knöpfen spiegelblank und machte sich auf den Weg, natürlich nicht, ohne ihren Sonnenschirm mitzunehmen. Es herrschte zwar Winter an der Südspitze Afrikas, aber die Sonne hatte um die Mittagszeit schon erstaunliche Kraft.
    Es war ein betriebsamer Morgen zu Füßen des mächtigen Tafelbergs. Eine schnee-116
    weiße Wolke zipfelte wie ein Tischtuch über den Rand seines flachen, lang gestreckten Gipfels. Blaue Schatten lagen in den tiefen Rissen seiner Flanken. Das Wetter war wunderbar, aber von frischer, frühlingshafter Kühle. Eine Wohltat nach der stickigen Hitze der tropischen Breiten, obwohl der Wind unangenehm kalt durch den dünnen Stoff ihres Kleides blies. Eine zwei- spännige Kutsche klapperte die Straße hinunter, Kinder spielten auf den Treppen vor den Häusern, Blumen blühten, sogar Rosen und Studentenblumen entdeckte sie; ständig musste sie sich daran erinnern, dass sie sich in Afrika befand und dass es eigentlich Winter war. Vor ihr inneres Auge schob sich das Bild vom winterlichen Norddeutschland, von den schmutzigen Schneehaufen, dem grauen, tief hängenden Himmel, der Nässe und Eiseskälte, die durch die Mauern in die Knochen kroch. Sie blinzelte unter ihrem Schirm in die Sonne, und ihr Herz hüpfte. Mit neuem Elan schritt sie die Straße hinunter.
    Zwei Schwarze traten vom Bürgersteig, um sie vorbeizulassen. Sie dankte ihnen und erntete ungläubige Blicke. Der größere sagte etwas und lachte, dass der glänzend schwarze Zylinder auf seinem Kopf verwegen wackelte. Seine grüne Jacke, die viel zu eng für seinen breiten Brustkasten war, stand offen, die weiten, zerschlissenen Hosen hatte er bis zum Knie aufgekrempelt. Er lief barfuß. Sein Begleiter war, bis auf einen Hüftschurz aus gelbem Fell und eine schreiend rote Weste, praktisch nackt. Höchst merkwürdig, dachte sie, wirklich höchst merkwürdig. Sie nahm sich vor, ihre Zeichenstudien auf die eingeborene Bevölkerung auszudehnen. Sie wich drei munter schwatzenden Burinnen aus und fand sich dann nach wenigen Schritten an der angegebenen Adresse wieder. Beeindruckt blieb sie stehen.
    Der Freund ihres Vaters, Mr. Simmons, schien ein wirklich wohlhabender Mann zu sein, denn sein Haus war ein prächtiges Gebäude mit Säulen und einer großen Terrasse, holländisch anmutendem Treppengiebel, blinkenden Fenstern und wunderbar verzierten Türen. Der Garten nahm ihr in seiner Schönheit den Atem. Kleine Margeriten in feurigen Schattierungen überzogen den Boden, Rosen blühten in einer Üppigkeit, die sie aus 117
    Deutschland nicht kannte, und zum ersten Mal sah sie diesen baumgroßen Strauch mit den merkwürdigen silbrig rosa Blütenständen, dessen Namen sie aus Abbildungen in Papas Botanikbüchern als Protea kannte. Auf ihr Klopfen öffnete eine imposante Dame, eine beeindruckende Sinfonie in Schwarz.

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