Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
torkelten grölend Arm in Arm auf sie zu. Catherine trat zur Seite, Wilma presste sich an die Hauswand hinter ihr und sah den lärmenden Männern furchtsam entgegen. »Sie werden uns noch die Kehle durchschneiden. Mein Gott, und wie die stinken.«
    »Hör auf. Kapstadt ist eine der bedeutendsten Hafenstädte der Welt, und alle Hafenstädte sind dreckig und voller Betrunkener, die alle nach Fisch und Alkohol stinken. Jetzt komm endlich. Ich kann das Meer riechen«, sagte Catherine, »der Strand muss nahe sein, und hör doch die Flötenmusik. Lass uns nachsehen, wer da
    111
    so wunderbar spielt.« Sie bog mit raschen Schritten in eine Nebenstraße ein.
    »Pass auf, deine Röcke schleifen im Schlamm. Ich werde sie dir alle etwas kürzen müssen.« Wilma hob ihren eigenen Rock und ging nahe an der Häuserwand, wo die lehmige Erde trockener und festgetreten war.
    Catherine nickte. Ihr war schon aufgefallen, dass einige Damen sogar ihre Knöchel zeigten, so kurz trugen sie die Kleider. Praktisch auf diesen Straßen, oder war es etwa die neue Mode? Mit einem kurzen Satz wich sie einem schwarzen Wasserträger aus, der vor sich hinpfeifend seine schweren Eimer am Joch trug. Die Straße wurde immer belebter, die Flötenmusik deutlicher. Mehrere übergewichtige schwarze Damen in weiten, bodenlangen Röcken, weißen Blusen und ausladenden Kopfbedeckungen, die rechts und links in zwei mächtige Hörner gezwirbelt waren, strebten an ihnen vorbei auf einen mit Menschen gefüllten, quadratischen Platz zu.
    Catherine lächelte hinter vorgehaltener Hand. »Sie erinnern mich an eine Herde aufgeblasener Truthühner. Wie sie ihre Brust herausdrücken ...
    und diese fetten Hintern ...«
    »Wenigstens sind sie anständig gekleidet«, sagte Wilma.
    Die hohen Flötentöne kamen näher. »Sie kommen von dem Platz dort.
    Es ist Markttag, wie herrlich«, rief Catherine und zerrte ihre widerstrebende Gesellschafterin hinter sich her. »Nun komm schon, Wilma, sei kein Spielverderber.« Ungeduldig ließ sie deren Hand fahren und tauchte vergnügt ins Menschengewimmel ein, entschlossen, wenigstens für heute die letzten Wochen zu vergessen.
    Manche der Höker verkauften von ihrem Wagen herunter, lautstark die Vorzüge ihrer Erzeugnisse anpreisend, andere hatten Früchtepyramiden auf niedrigen Tischen aufgebaut oder trugen sie in großen Körben an einem über den Nacken gelegten Joch. »Drei für nur einen Penny, sechs für zwei«, brüllten die fliegenden Händler und schlängelten sich flink durch die Menge.
    »Drei für nur einen Penny, Ma'm, lecker, lecker«, grinste ein junger Schwarzer in rotem Wams über seiner bloßen Brust und 112
    in zerschlissener Hose. Er hielt Catherine einen verschrumpelten Apfel unter die Nase.
    Sie wehrte ihn mit einem Kopfschütteln ab und zog Wilma weiter. Es quakte und quiekte, bellte und krähte, es duftete nach Früchten und Gewürzen, roch nach Kuhstall und durchdringend nach Urin. Hausfrauen feilschten gestenreich um jeden Penny, feine Herren in Gehrock und Zylinder hoch zu Ross lenkten ihre Pferde langsam durch die Menge, kauften mit fachmännischem Blick nur das Beste. Wilma trat heftig nach einem Hund, der sie aufdringlich beschnupperte. Er jaulte auf, sie verlor das Gleichgewicht und stolperte gegen einen kunstvoll aufgebauten Turm aus weißem Kohl, fiel hin und wurde unter den herunterprasselnden Kohlköpfen fast begraben.
    »Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort«, bemerkte Catherine schadenfroh und sprang geschickt zur Seite, als eine Kuh breiige, grüne Fladen fallen ließ, die auf die Erde klatschten und den Saum von Wilmas Kleid bespritzten. Sie streckte ihrer Gesellschafterin die Hand entgegen und half ihr auf die Füße. »Lass es trocknen, dann kannst du es abbürsten.«

    »Was für ein grässliches Land. Wir werden uns hier noch die Blattern oder Schlimmeres einfangen«, fauchte Wilma.
    »Jetzt ist es genug, gib endlich Ruhe! Du machst mich böse. Seit Monaten vernehme ich nur Nörgeln und Gejammer von dir, nie ein fröhliches Wort. Lange wil ich mir das nicht mehr anhören. Außerdem lass dir gesagt sein, dass es schon längst ein Mittel gibt, das die Ansteckung mit Blattern einigermaßen verhindert. Der Arzt schmiert es in einen Kratzer in der Haut, da bildet sich dann eine wässrige Pustel, die bald abheilt, und schon ist man gegen die Ansteckung so gut wie gefeit. Papa und ich sind so behandelt worden. Du hast doch in Bayern gelebt, soweit ich weiß, ist die Impfung dort doch

Weitere Kostenlose Bücher