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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Er hätte sie am liebsten in seinen Armen bis ans Ende der Welt getragen und nie wieder losgelassen.
    Sie nickte lächelnd, vermied es jedoch, hinunterzusehen. Die Höhe machte ihr zu schaffen. Segeln konnte sie, reiten nicht. »Es geht gut, danke.«
    In gemächlichem Gang führte Johann Steinach das Pferd die Straße hinunter. Vor der Pension angekommen, hob er Catherine mit großer Vorsicht aus dem Sattel. Den Arm stützend um sie geschlungen, geleitete er sie ins Haus. »Wo kann ich einen Arzt finden?«, fragte er Mrs. Halliwell.
    »Mein Freund wird ihn sofort holen.« Er wies auf Sicelo und erntete ein befremdetes Stirnrunzeln von der Frau.
    »Das wäre unser Doktor Carter. Sie finden ihn in der Long Street Ecke Strand. Wenn Ihr Bursche schnell ist, sollte er vor dem Abendessen zurück sein«, beschied sie ihm spitzmündig.
    Johann brachte seinen humpelnden Schützling zu einem Stuhl; er musste sich zwingen, seinen Arm von ihr zu lösen. Dann eilte er wieder hinaus zu Sicelo und sprach mit dem Zulu in einer sanft klingenden Sprache, die von eigenartigen Klicklauten unterbrochen wurde. Sicelo antwortete und lief in flottem Trab los. Johann Steinach trat wieder zu ihr, nahm ihre
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    Hand in seine beiden, drückte sie und verabschiedete sich mit einer unbeholfenen, tiefen Verbeugung, allerdings nicht, ohne ihre Erlaubnis zu einem Krankenbesuch am nächsten Tag erbeten zu haben.
    »Ein netter Mann, auch wenn er einen Kaffer als seinen Freund bezeichnet«, bemerkte Mrs. Halliwell, half Catherine die Treppe hoch zu ihrem Zimmer und öffnete die Tür.
    Wilma saß am Fenster und kürzte den Saum eines ihrer Kleider. Als sie Catherines ansichtig wurde, sprang sie entsetzt auf. »Was ist passiert? Du bist überfallen worden! Ich hab dich gewarnt! Sicher war es einer dieser betrunkenen Banditen. Danke, Mrs. Halliwell, ich übernehme das jetzt.« Sie winkte die Haushälterin hinaus und ergriff Catherines Arm. »Bringen Sie unseren Tee aufs Zimmer, auch unser Abendessen werden wir hier einnehmen«, rief sie der Frau nach.
    Catherine ließ sich aufs Bett fallen. »Beruhige dich, niemand hat mich überfallen. Der Sturm hat mich umgeweht.« Sie warf ihren Hut zielsicher auf den Stuhl am Fenster und zog die Decke über sich.
    Kurz daraufbrachte eine junge Schwarze in schwarzer Tracht und weißer Zimmermädchenhaube den Tee. Stumm knicksend setzte sie das Tablett auf dem kleinen Tisch vor Catherine ab. »Mrs. Halliwell hat ein paar Hafermehlkekse dazugelegt«, bemerkte sie dann schüchtern.
    Wilma machte eine scheuchende Handbewegung. »Ja, schon gut. Du kannst gehen. Wil st du deinen Tee mit Milch?«, fragte sie die Verletzte.
    »Ja bitte, und mit viel Zucker«, sagte Catherine und biss sich fast die Zähne an den Keksen aus. Das Gebäck schmeckte staubig, aber sie hatte großen Hunger und würgte es herunter. Den Rücken gegen das hohe, geschnitzte Kopfteil mit einem Kissen abgestützt, den rechten Fuß auf einem Polster hoch gelegt, trank sie das belebende Getränk und wurde langsam innerlich warm. »Tut das gut. Es war so kalt wie in Norddeutschland im Spätherbst, und ich war nur für den Sommer angezogen. Sollten wir länger hier bleiben, werde ich mir wärmere Kleidung 123
    anschaffen müssen.« Wenn das Geld denn reicht, setzte sie schweigend hinzu.
    Dr. Carter erschien wenig später, ein hagerer, junger Mann mit ernsten Augen und zarten Händen. »Er ist nur verstaucht«, verkündete er nach der Untersuchung ihres Knöchels und verordnete kalte Umschläge und strikte Ruhigstellung des Fußes. »Sie müssen ihn stets hoch legen und sollten sich erst erheben, wenn er abgeschwollen ist. Ich lasse Ihnen Tropfen gegen die Schmerzen da. Nehmen Sie bitte zwanzig davon mit dem Abendessen zu sich.« Daraufhin schrieb er seine Rechnung. Sie betrug drei Schil inge.
    Wenig später wurde das Abendessen serviert. Wilma deckte für sich den Tisch und stellte Catherine mit gerümpfter Nase das Tablett auf den Schoß.
    »Was ist denn das für ein Zeug?«, fragte sie misstrauisch. »Unglaublich, was uns hier zugemutet wird.«
    Catherine kratzte die dicke, gelbe Soße ab. »Fisch, offensichtlich«, stellte sie fest. »Hast du einmal darüber nachgedacht, ob du nach Deutschland zurückkehren wil st?«, fragte sie dann, während sie den in Fett schwimmenden Fisch mit Reis aß. Er schmeckte fad, und das Fett war eindeutig vom Hammel, aber sie war noch immer so hungrig, dass ihr das egal war. Ihr Fuß pochte, und ihr Kopf auch, und trotz des

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