1 - Schatten im Wasser
Und dabei hatte er geglaubt, dass bessere Leute ein Gefühl für Anstand und Sitten hätten, wussten, was sie taten, besonders die, die einen Titel vor ihrem Namen trugen wie der Herr Baron Louis le Roux. Auch wenn es nur ein kleiner Titel war, zu dem kein bedeutender Landbesitz gehörte. Das hatte ihm die Gouvernante gesteckt.
Er verdrehte die Augen zur Decke. Noch immer rannte das Mädchen an Deck hin und her. Seit dem Verschwinden ihres Vaters schien sie kaum noch zu schlafen, das hieß, dass auch sie sich Sorgen machte. Nicht gerade beruhigend für ihn.
»Und jetzt werde ich mir die Dame einmal vorknöpfen.« Entschlossen schob er seinen Stuhl zurück und erhob sich schwerfällig. Wenn Geld auf dem Spiel stand, konnte er sich kein Mit
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leid leisten. Mit niemandem. Mit einem Ruck zog er seine Hose unter seinem Hängebauch stramm, schnippte die Hosenträger zurecht und stärkte sich noch schnell mit einem Schluck Rum, ehe er seine Kajütentür öffnete und die enge Stiege emporklomm. Gleich als er die Luke hochschob, sah er sie.
Catherine le Roux stand mittschiffs, ihre Arme hielt sie über der Brust verschränkt, den Kopf an den Mast zurückgelehnt. Ihr klares Profil, die lange Kurve ihres Halses zeichneten sich scharf gegen das im frühen Morgenlicht flirrende Grün des Regenwaldes ab. Auf der letzten Reise war sie ein schmales, dünnes Mädchen gewesen, jetzt stand eine junge Frau vor ihm, mit vollen Brüsten, einer atemberaubenden Tail e und weich geschwungenen Hüften. Ihre Schönheit versetzte ihm einen Stich, stachelte aber gleichzeitig seinen Zorn an. Darauf, dass sie jung war, darauf, dass sie schön war, und darauf, dass sie für ihn und seinesgleichen so unerreichbar bleiben würde wie ein funkelnder Stern am Nachthimmel.
Doch statt sie an dieser langen, glatten Kehle zu packen, sie zu schütteln, bis sie ihm wil enlos in die Arme sank, knöpfte er seine Jacke über dem Bauch zu und räusperte sich vernehmlich. »Also, ich hoffe, Ihr Vater wird beizeiten zurückkommen, Fräulein le Roux«, begann er und beschattete seine Augen gegen die aufgehende Sonne mit der einen Hand, während er mit der anderen wichtig nach Westen zur Mündung des großen Stroms deutete. »Sehen Sie die Wolken, die sich über dem Meer auftürmen? Die sind tückisch. Das Wetter wird umschlagen. Ich wil hier weg«, knurrte er und zog an seinem schwarzen Bart.
Schon bei seinen ersten Worten hatte sie sich heftig umgewandt. »Was wollen Sie?« Schweres Haar schwang wie glänzend schwarze Seide, hellblaue Augen packten ihn.
Ihre schroffe Art ärgerte ihn gewaltig. Er stemmte seine Arme in die Seiten. Wenn sie Streit suchte, den konnte sie haben. »Dieses verfluchte Pestloch ist mir unheimlich, hier ist etwas anders als sonst. Das fühle ich.
Ich habe heute Nacht Stimmen gehört, da bin ich mir sicher. Als ob jemand geschrien hätte, und dabei haben die ganze Zeit die verwünschten Trommeln gedröhnt.«
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Er bewegte die Schultern, als fürchtete er, dass ihn jede Sekunde jemand von hinten anspringen könnte. Sein Blick lief den Fluss entlang über den dichten Urwald. »Wie eine Mauer ist dieser verdammte Wald.«
Catherines Augen strichen über das schattige Ufer. Mangroven bildeten die erste Barriere, dahinter wuchs ein Wall von dichtem Gestrüpp, niedrigen Bäumen und großblättrigen Schlingpflanzen. Darüber, hoch wie Türme, erhoben sich die Regenwaldriesen. Weiße Nebelfetzen trieben durch ihre Kronen, als tanzten dort Geister.
»Wenn die Flut steigt, laufen wir aus. Wir müssen weiter, ich bin jetzt schon hinter den Zeitplan zurückgefallen«, grollte er, runzelte die schwarzen Brauen und streckte den Kopf auf eine Weise vor, wie er es zu tun pflegte, wenn er einen seiner Leute einschüchtern wollte.
Doch Catherine war vertraut mit Männern wie ihm. Auf ihren ausgedehnten Reisen waren ihr zahlreiche seiner Art über den Weg gelaufen. Den rauesten Matrosen konnte er in Schach halten, das hatte sie beobachtet, auch hatte sie gesehen, wie er mit gewissen Frauen umging.
Er hatte sie angebrüllt und sogar geschlagen, und sie hatten sich ängstlich vor ihm geduckt. Ihr gegenüber benahm er sich jedoch linkisch, sprach lauter als sonst und zeigte mit jeder ungeschickten Geste, wie unwohl er sich in ihrer Anwesenheit fühlte.
Sie hob ihr Kinn, drückte das Rückgrat durch und brachte es fertig, ihn von oben herab anzuschauen, obwohl sie ihm nicht einmal bis zum Kinn reichte. »Das werden wir nicht. Wir bleiben hier, bis
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