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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Geschmack hat er. Sie erlaubte ihm, ihr den Schal um die Schultern zu legen.
    Nachdem sich Johann verabschiedet hatte, wollte sie eben mit den Kindern ins Haus zurückgehen, als eine Kutsche auf der harten Sandstraße heranratterte. Schnaubend kamen die Pferde vor dem Haus zum Stehen.
    Die Kutschentür flog auf, und Adam Simmons sprang heraus.
    »O Gott im Himmel, meine Mama ist gestorben«, schrie eins der beiden kleinen Mädchen verzweifelt und warf sich weinend in Catherines Arme.
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    Aber Adam Simmons rannte lachend, wie ein Verrückter lachend, über den Weg des malerischen, von Orangen- und Quit- tenbäumen umstandenen Gartens zum Haus und sprang die Stufen zum Eingang hoch.
    Er lachte so laut und so voller Glück, dass Catherine das Herz ganz leicht wurde. Es musste gute Nachrichten geben.
    »Es sind nur die Windpocken, Kinder, es sind nur die Windpocken«, rief er schon von weitem. Schwer atmend blieb er vor ihnen stehen, breitete seine Arme aus und fing seine juchzenden Kinder auf. Die Tränen liefen ihm ungehindert übers Gesicht, aber er lächelte Catherine über die blonden Köpfe zu. »Die Kinder können wieder nach Hause. Unser Arzt sagt, es ist wünschenswert, dass sie die Windpocken im Kindesalter bekommen, dann verlaufen sie leicht. Die arme Elizabeth leidet fürchterlich unter Kreuz- und Kopfschmerzen, die Bläschen im Inneren ihres Mundes und der Nase bluten, und ihre Haut juckt zum Wahnsinnigwerden, aber sie erträgt es tapfer.« Bei diesen Worten strahlte er, buchstäblich von einem Ohr zum anderen.
    El a erschien mit furchtsamem Ausdruck auf ihrem runden, schwarzen Gesicht in der Küchentür. »Gott sei gedankt, gepriesen sei Gott, der Herr«, rief sie, als sie die gute Nachricht hörte, verschwand mit flatternden Schürzenbändern im Zimmer der Kinder und packte in fliegender Hast.
    »Haben Sie schon die Windpocken gehabt, Fräulein le Roux?«
    »Schon als Kind.« Sacht berührte sie eine deutliche Narbe an ihrem Kinn. »Es war scheußlich und hat entsetzlich gejuckt.«
    »Man sagt, dass man nur einmal im Leben an den Windpocken erkranken kann. Für Sie besteht also keine Gefahr. Ich hoffe, Sie kommen noch für eine Zeit mit uns nach Hause?«
    »Ja, bitte, Catherine«, schrien die kleinen Mädchen mit leuchtenden Augen. »Bitte, bitte.«
    Nur zu gern erfüllte sie den Wunsch. Die Vorstellung, wieder in das düstere, von Kochdünsten geschwängerte Gästehaus zurückzukehren, erfüllte sie mit tiefstem Widerwil en. Auf Wilma brauchte sie keine Rücksicht mehr zu nehmen. Sie hatte ihrer Gesellschafterin den ausstehenden Lohn gezahlt, und nun hatte
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    diese alle Hände voll zu tun, um den völlig verzogenen sechs Hogenbosch-Kindern Manieren beizubringen. Seit Wilma vor einigen Tagen diese Stellung angetreten hatte, hatten sie sich nicht wieder gesehen.
    Kaum war sie im Haus der Simmons' angekommen, ging sie sofort ins Obergeschoss und überzeugte sich davon, ob die Diagnose des Arztes korrekt war. Elizabeth war bedeckt von nässenden Bläschen, aber gleichzeitig waren die ersten juckenden Stellen schon zu Krusten getrocknet, und daneben bildeten sich neue dieser reiskorngroßen Pusteln.
    Ein sicheres Zeichen, wie sie wusste, denn die eigentlichen Pocken verliefen nie schubweise, zeigten nie verkrustete Bläschen neben frischen.
    Der knorrige, alte Doktor Borg, einer der ältesten Freunde ihres Vaters, hatte ihr das erklärt. Erleichtert küsste sie Elizabeths Nasenspitze, die einzige unbefallene Stelle.
    Das Gesicht unter dem hellblauen Betthäubchen war schmal und blass, die Augen noch rot gerändert und fieberglänzend. »Gott weiß, wie dankbar ich Ihnen bin, Catherine. Ich bin vor Sorge um meine Kinder fast gestorben, aber als ich hörte, dass Sie mit ihnen ins Haus in der Long Street gezogen waren, war ich ruhiger«, flüsterte die Kranke. »Doch, doch, das war sehr mutig von Ihnen«, beharrte sie, als Catherine verlegen abwehrte. »Sie haben ja nicht wissen können, dass es nur die Windpocken sind. Es hätte viel schlimmer kommen können, und dann wären auch Sie in höchster Gefahr gewesen, denn ich habe alle drei Kinder kurz vorher noch bei mir im Zimmer gehabt.«
    Mit heimlicher Scham erinnerte sich Catherine, dass ihre erste Reaktion Ablehnung und Unwil en gewesen war. »Es ist das erste Mal, dass ich auf Kinder aufgepasst habe, hoffentlich habe ich alles richtig gemacht.«
    Der Kranken schien das Sprechen schwer zu fallen, in ihrem Mundwinkel klebte ein winziger, verkrusteter

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