1 - Schatten im Wasser
noch meine Kinder sonst heute Nacht ruhig schlafen werden, und ich wohl auch nicht.«
»Das kann ich natürlich nicht verantworten«, lächelte Johann Steinach.
»Ich werde es kurz machen. Als Dank gewährte König Mpande mir Land, um dort zu siedeln, und schenkte mir zehn Rinder. Es waren prachtvolle Tiere mit glänzenden Flanken und klaren Augen. Ihr Milchertrag war ziemlich mager, aber drei von ihnen waren trächtig, und sie waren der Anfang einer großen Herde. Nun nannte ich über dreieinhalbtausend Hektar in Zululands grünen Hügeln mein Eigen, und solange ich das Land und seine Leute mit Respekt behandle, habe ich die gleichen Rechte wie ein Zulu. Der König behielt mich noch wochenlang als seinen Gast in seiner Residenz, und täglich musste ich ihm Geschichten von meiner Welt erzählen, über meine Fahrten auf dem Meer, von dem er bisher glaubte, dass es ohne Grenzen war, über mein Land, wo im Winter der Regen weiß und weich wie Maismehl vom Himmel fiel und das Wasser eine Haut bekam, auf der man gehen konnte.
Als er mich endlich ziehen ließ, machten Sicelo und ich uns mit meiner kleinen Herde auf und nahmen gemeinsam mein Land in Besitz. Es dauerte Wochen, bis wir es zu meiner Zufriedenheit erkundet und den Platz gefunden hatten, wo ich den Rest meines Lebens verbringen wil . Ein Hügel, sanft dem Sonnenaufgang zugeneigt, wie die Imizi, die Zuluhofstätten, gekrönt von Schattenbäumen. Der Fluss ist nicht weit entfernt, und gutes Weideland liegt dahinter im flachen Tal. Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal dort stand.«
Er hatte seine Zuhörer vergessen, war zurück auf seinem Land, ließ seinen Blick nach Osten schweifen, über die grünen 164
Hügel in die vom Dunst verschleierte Ferne, meinte das Blau des Ozeans zu erkennen. Als er sprach, war seine Stimme träumerisch. »In diesem Augenblick wusste ich, dass ich das gefunden hatte, wonach ich so lange gesucht hatte. Einen Ort, den ich nie wieder verlassen wil . Einen Ort, den ich Heimat nennen kann. Es ist nicht mein Geburtsort, aber ich fühle, dass ich dort neu geboren wurde.« Wieder schwieg er und schaute zurück in die Vergangenheit.
Mit Hilfe von Sicelo hatte er eine Bienenkorbhütte in der Art, wie sie die Zulus bewohnen, errichtet, um eine Unterkunft zu haben. Dann machten sie sich daran, Baumaterial zu sammeln. Mpande sandte ihm kräftige junge Burschen, die halfen, das Land zu roden. Sie schleppten Holz heran und formten Lehm, den sie vom Wasserloch holten, zu Ziegeln. Als Sohn eines Sägewerkbesitzers konnte Johann Steinach mit Holz umgehen, und so baute er sein Haus, mit Mauern aus Lehm, umgeben von einer Veranda, die im Schatten des tief heruntergezogenen riedgedeckten Daches lag. Es dauerte fast zwei Jahre, ehe er eines Tages im Licht der sinkenden Sonne seinen Hammer aus der Hand legte, sein Werk betrachtete und entschied, dass es gut sei.
Johann hob seine Hände. »Da steht es nun, oben auf dem Hügel, und überblickt das schönste Land der Erde.«
»Inqaba«, seufzte Catherine, und der Klick gelang ihr aufs Perfekteste.
Johann Steinach strahlte und stand auf. »Das war wunderbar, vollkommen, Fräulein le Roux. Vollkommen.« Schnell hob er ihre Hand und drückte einen festen Kuss darauf. Röte überflutete dabei sein Gesicht, er rang nach Worten, sein ganzer Körper wand sich in diesem Bemühen.
Doch er brachte keinen Ton heraus und verbeugte sich nur stumm, während er sie dabei aus glühenden Augen anschaute.
Catherine verstand plötzlich. Meine Güte, er wil mir einen Antrag machen, schoss es ihr durch den Kopf. Er wil mich fragen, ob ich ihn heiraten wil . Nein, wollte sie ihm sagen, nein, nicht jetzt, bitte jetzt noch nicht, ich weiß selbst nicht, was ich wil . Aber sie war so verwirrt, dass auch sie kein Wort mehr her-165
vorbrachte. So starrten sie einander an, stumm wie Fische, mit demselben dümmlichen Ausdruck auf ihren Gesichtern.
Johann griff wie ein Ertrinkender nach seinem Hut und verabschiedete sich hastig von den Kindern und seinem Gastgeber, der ihn zum Ausgang begleitete. In der Tür wandte er sich halb um, sein brennender Blick traf noch einmal ihren. Dann war er gegangen.
Sie sah ihm verwirrt nach, versuchte mit der Flut von Gefühlen fertig zu werden, die sie jetzt überschwemmten. Verwundert spürte sie, dass sie etwas wie Aufregung gepackt hatte, eine Neugier, als wäre ein Fenster zu einer unbekannten Welt einen winzigen Spalt geöffnet worden. Genau konnte sie noch nicht erkennen,
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