1 - Schatten im Wasser
nervös und gereizt. Sie konnte sich ihre Gemütslage nicht erklären und mochte sich nicht einmal in einen Brief an Konstantin flüchten. Am Ende schob sie es auf das windige, unstete Wetter und die Tatsache, dass sie in dem lebhaften Haushalt der Simmons' kaum beachtet wurde. Sie las Elizabeth einmal am Tag vor, aber nur für höchstens eine Stunde, danach plauderten sie Belangloses. Ihre Gastgeberin musste sich noch schonen, die Pusteln waren noch nicht restlos ausgeheilt, und sie ermüdete schnell.
Nach der Plauderstunde war Catherine wieder sich selbst überlassen und strich rastlos im Zimmer herum. So kam es, dass sie, als ihr James mitteilte, dass Herr Steinach in der Halle auf sie wartete, in heller Freude die Treppe hinunterstürmte und ihm strahlend mit ausgestreckten Händen entgegenlief. »Herr Steinach, wie schön, Sie zu sehen.«
Johann Steinach sah ihr Strahlen, legte ihre Worte falsch aus und lief puterrot an. Für Sekunden ließ er seine leuchtenden Augen stumm auf ihr ruhen, zerquetschte dabei fast den klei
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nen bunten Blumenstrauß, den er in der linken Hand hielt, dann sank er zu ihrer völligen Verwirrung auf die Knie.
»Würden Sie mir die Ehre erweisen, meine Frau zu werden, Fräulein le Roux?«, brachte er, der sich todesmutig gegen Elefanten zur Wehr gesetzt hatte und es mit Leoparden aufnahm, nur mit schwankender Stimme hervor.
Die Worte fielen wie Kiesel in einen stil en Teich, zerstörten die ruhige Oberfläche, zogen immer weiter werdende Kreise. Catherines Seelengefüge geriet ins Wanken, Bilderwirbelten ihr durch den Kopf. Von Männern, die sie als Freiwild betrachten würden, von Adam Simmons'
Übergriffen, von Adeles kaltem Heim und dem grauen Novemberhimmel über Norddeutschland, von dem winzigen, kahlen Zimmer, das Wilma im Haus der Hogenboschs bewohnte. Von der ewig zankenden Kinderschar, die sie betreute, und der Tatsache, dass sie die Mahlzeiten mit den Bediensteten in der Küche einnehmen musste. Von dem karottenfarbenen Cedric Arbuthnot-Thrice und seinem Mundgeruch.
Dann erhob sich Inqaba vor ihrem inneren Auge, das herrliche weiße Haus in den grünen Hügeln Zululands, und plötzlich rauschte ihr das Blut so laut in den Adern, dass es alles andere übertönte.
»Ja«, sagte sie, ohne weiter nachzudenken. »Gerne.«
Und so begann die Geschichte der Steinachs auf Inqaba.
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KAPITEL 6
Unser Schiff wird drei Tage nach unserer Hochzeit ablegen«, sagte Johann.
»Bis dahin gibt es noch sehr viel zu tun.«
»Wir segeln mit dem Schiff? Ist das wirklich notwendig? Können wir nicht mit der Postkutsche reisen? Oder gibt es vielleicht Pferdebahnen?« Sie goss ihm eine weitere Tasse Tee ein, den ihnen Elizabeth Simmons aufs Zimmer geschickt hatte, und schob ihm El as köstliche Scones hin.
»Pferdebahnen und Postkutschen in Afrika? Mein Liebling, welch guter Scherz! Wir kämen kaum weiter als wenige Meilen hinter Wynberg. Das Schiff ist die einzige Möglichkeit.« Forschend blickte er ihr ins Gesicht. »Du hast doch keine Angst?« Er verzierte seinen Scone mit einem üppigen Sahnehäubchen und biss hinein.
Sie zögerte. »Nun ja, wir sind vor der Südwestküste in einen Furcht erregenden Sturm geraten, ich bin wirklich nicht erpicht darauf, das noch einmal mitzumachen.« Es scheute sie, ihm zu verraten, welche Angst sie empfunden hatte, war sie doch überzeugt, dass er keine Geduld mit Hasenfüßen haben würde.
Er lachte. »Dir kann nichts passieren, ich bin bei dir. Kein Schicksal ist grausam genug, einen Menschen zweimal Schiffbruch erleiden zu lassen, und das an derselben Küste. Es gibt also gar keinen Grund zur Besorgnis.«
Er nahm ihre Hand in seine beiden und küsste sie hingebungsvoll.
Es gab Unmengen zu erledigen, und die Zeit bis zur Hochzeit verging wie im Flug. Auch heute, kurz nach ihrem offiziellen Verlöbnis, das sie im Kreise der Simmons' bei einem Fünf-Gänge- Essen und ausgezeichnetem Kapwein gefeiert hatten, saßen sie zusammen und stellten eine Liste der Dinge auf, die sie auf Inqaba unbedingt brauchen würden.
Er schlug seine langen Beine in den gewienerten Reitstiefeln übereinander und nahm einen Schluck Tee. »Es wäre ratsam, 170
Mrs. Simmons zu bitten, dich beim Einkauf zu begleiten. Sie ist eine sehr erfahrene Hausfrau und wird wissen, was du brauchst. Ich werde mit Sicelo alles einkaufen, was wir für Inqaba noch benötigen. Meine Werkzeuge sind abgenutzt, und es muss noch einiges am Haus getan werden. Ich habe nicht einmal einen
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