1 - Schatten im Wasser
kleinen Ledersack, den er am Gürtel befestigt trug. Er war aus lebhaft gemustertem Schlangenleder wie der Gürtel auch.
»Sind die Dandys in England immer noch scharf auf Schlangenhaut?«
»Genau wie die Fatzkes in Paris - du weißt eben nicht, was der letzte Schrei in der Mode ist, du Ignorant. Sag, wil st du mich nicht dieser hübschen Dame vorstellen?« Funkelnd blaue Augen musterten sie unter schwarzen Brauen.
»Sachte, sachte, Dan, ich bitte um ausgesuchte Höflichkeit. Du sprichst von meiner Frau.« Johann legte den Arm um ihre Schultern. »Catherine, dieser merkwürdige Mensch hier ist Dan de Vil iers, genannt Dan, der Schlangenfänger, einer meiner besten Freunde. Wir kennen uns schon sehr lange.«
Dan de Vil iers riss sich mit elegantem Schwung den Hut vom Kopf und vollführte eine elegante höfische Verbeugung, wobei ihm die zottigen, schulterlangen Haare wie ein Vorhang übers Gesicht fielen. »Madame -
enchante.«
»Monsieur.« Vorsichtig reichte sie ihm ihre Hand, die der Schlangenfanger zart wie eine Feder zu seinen Lippen führte und küsste.
Sie atmete in kurzen, flachen Stößen, denn Dan de Vil iers hatte unglücklicherweise den Wind im Rücken. Ihr wurde ganz schwindelig, und sie musste gewaltig nach Luft schnap
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pen, wobei sie sich am üppigen Körpergeruch des Schlangenfan- gers fast verschluckte. »Wozu braucht man in Paris Schlangenleder?«, keuchte sie.
Sie bemerkte, dass ihm der linke Zeigefinger völlig fehlte. Nur ein harter Stumpf war geblieben.
»Für Schuhe und Gürtel und extravagante Geldbeutel.« Er klingelte wieder mit seinem. Sein Lachen war heiser und schien direkt aus der Tiefe seines umfangreichen Bauches zu kommen.
»Schlangenfänger! Welch ein bemerkenswerter Beruf. Wo lernt man so etwas?«
»Afrika ist ein großer und harter Lehrmeister, Gnädigste.«
»Er meint, Liebling, dass er sich mit einer wütenden Puffotter angelegt und verloren hat. Sie biss ihn in den Zeigefinger, und um dem sicheren Tod zu entgehen, hat er seine Hand auf einen Baumstamm gelegt und den Finger abgehackt, um zu verhindern, dass das Gift sich in seinem Körper ausbreitete. Seitdem verfolgt er die Reptilien und zieht ihnen die Haut über den Kopf, sein Geld aber verdient er mit Elfenbeinhandel.«
Ihr Herz klopfte. Auch Konstantin wollte Elfenbein jagen. »Und das ist lukrativ?«, fragte sie laut.
Dan, der Schlangenfänger, gluckste und berührte eine schwere Goldkette an seinem Hals, die vorher durch den Kragen seines Baumwollhemdes verdeckt gewesen war, antwortete aber nicht. Catherines unerfahrenem Auge erschien sie klobig, sehr grob geschmiedet. Doch ihr Gewicht musste beachtlich sein. War Konstantin auf dem richtigen Weg?
Was hatte Adam Simmons gesagt? Er war in Hochstimmung gewesen und hatte nur vom Feinsten gekauft.
Johann beugte sich zu ihr. »Was ist, mein Liebes? Du siehst sehr nachdenklich aus. Welche Laus ist dir über die Leber gekrochen?«
Betroffen sah sie ihn an. Er schien ihr die Gedanken vom Gesicht ablesen zu können. In Zukunft würde sie sich vorsehen müssen. Nervös lächelte sie ihren Mann an. »Du irrst, ich dachte nur an die Schlangen. Gibt es viele bei uns?«
Dan lachte dröhnend. »Mehr als genug, aber ich werde Ihnen beibringen, wie man vermeidet, ihnen zu nahe zu kommen, 189
und wenn man das nicht kann, wie man die Biester ins Jenseits befördert, ohne selbst dabei draufzugehen.«
Sicelo schlenderte herbei, angelockt von der lauten Unterhaltung. »Ah, sawubona, Iququ«, murmelte er. »Ich sehe dich, der wie ein Ziegenbock riecht.«
»Ich seh dich auch, der du babbelst wie ein dummer Pavian«, knurrte der Schlangenfänger, und Johann lachte.
Aufatmend, dass sich die Unterhaltung jetzt in weniger gefahrlichen Untiefen bewegte, plauderte Catherine noch einige Zeit mit Dan de Vil iers, der sie aufs Lustigste mit Anekdoten aus dem Busch unterhielt.
*
Sie umrundeten das Kap der Stürme und segelten dicht unterhalb der Küste entlang, immer nach Osten, mit der Mittagssonne backbords. Afrika war nichts als ein graugrüner Schatten an der Grenze ihrer Sicht. Ganz allmählich aber drehte das Schiff nach Norden, die Sonne stieg höher und stand mittags über dem Bug, es wurde heißer, und die Farben leuchteten intensiver. Eines Tages wachte Catherine schon bei Morgengrauen auf und ging an Deck, um die Sonne zu begrüßen, während Johann noch schlief.
Als sie die Tür des Niedergangs öffnete, strömte salzig frische, feuchte Luft herein. Sie atmete tief
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