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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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Hals schlang.
    Sie spürte die Strahlen der noch unsichtbaren Sonne durch den Stoff.
    »Aber es wird wärmer, Gott sei Dank.« Sie sah hinauf in den Himmel, beobachtete die buckligen, grauen Wolken, die in Reih und Glied über den Himmel marschierten. »Sie sehen aus wie die Herde Elefanten, die ich im Kongo beobachtet habe«, rief sie. »Schau, vorne ist die Leitkuh, da hinten sind die Kleinen.«
    In der Ferne rollte dumpfer Donner, und Johann schmunzelte. »Hörst du, sie reden auch miteinander wie die Elefanten.«
    Ein heftiger Windstoß zerteilte das Grau, die Elefanten zerflossen, und die Sonne strahlte unerwartet heiß auf sie herab. Sie zog den Schal herunter, öffnete die obersten Knöpfe ihres Kleides und wedelte sich mit den Händen Kühlung zu. »Jesses, ist die Sonne heiß, das hätte ich nie geglaubt. Es ist doch noch Winter.«
    »Der Winter im Süden ist kalt, unser Winter in Natal dagegen ist meist wärmer als der Sommer in Europa, sicherlich wärmer als der in meinen heimatlichen Bergen. Denk daran, wie viel näher wir hier am Äquator sind.
    Im Hochsommer wirst du dich noch manches Mal mit Sehnsucht an die Winterkälte in deiner Heimat erinnern.«
    »Das kann ich mir im Moment wirklich nicht vorstellen. Es ist herrlich, die Wärme zu spüren und die Hoffnung zu haben, dass irgendwann das nasse Zeug an meinem Leib wieder trocken sein wird.«
    Mit der Sonne und dem Nachlassen der rollenden Schiffsbewegungen erschienen immer mehr ihrer Mitpassagiere an Deck. Die vier Kinder des jungen Paares, die mit ihnen im Beiboot ge-186
    wesen waren und sich als Mr. and Mrs. Robertson vorgestellt hatten, tobten herum, spielten fangen und versuchten in die Wanten zu klettern, wo sie schleunigst von einem missgelaunten Seemann herausgeklaubt wurden.
    Mrs. Robertsons Bauch wölbte sich deutlich unter ihrem losen Umhang. Sie war ganz offensichtlich schon im fortgeschrittenen Stadium ihrer fünften Schwangerschaft.
    »Das ist die Zukunft unseres Landes«, bemerkte Johann und sah den drei Buben und ihrer Schwester mit glänzenden Augen zu. »Nette, kräftige Burschen, und das Mädchen ist sehr hübsch, nicht wahr? Wenn sie nur ein wenig älter ist, werden sich die Männer um sie reißen. Wir haben kaum weiße Frauen in Natal«, erklärte er, als sie ihn mit hochgezogenen Brauen ansah, und verschwieg ihr geflissentlich, dass es nicht einmal eine Hand voll in ganz Zululand gab. »Ja, was meinst du denn, was diese allein reisenden Jungfern dort in Natal suchen?« Er zeigte auf vier jüngere Frauen, die wie Schutz suchende Spatzen zusammengedrängt auf ihrem Gepäck saßen und leise miteinander schwatzten. Al e trugen Capote-Hüte mit großen Schleifen unter dem Kinn zu Kleidern, die hochgeschlossen waren und weit über die Knöchel fielen. Ihre Gesichter waren blass und ihre Hände zart.
    »Sie suchen einen Mann hier?«, fragte Catherine ungläubig. »Dafür haben sie diese lange, beschwerliche Reise gemacht und wissen gar nicht, was hier auf sie wartet?«
    »So ist es, liebe Frau Steinach. Nicht alle haben das Glück, so ein Prachtstück wie mich abzubekommen.« Er lachte vergnügt, als sie ihn spielerisch auf den Oberarm boxte.
    »He, Johann, was hat dich denn auf diesen gottverlassenen Seelenverkäufer verschlagen?«, brüllte da eine Stimme neben ihrem Ohr.
    Catherine machte einen erschrockenen Satz und fuhr herum.
    Ein Mann lehnte hinter ihnen am Mast. Sein Gesicht lag im Schatten eines ausladenden Strohhuts mit wippenden Straußenfedern, die in einem schönen Bogen bis auf seine Schultern hingen. Was sie unter dem schwarzen Bart erkennen konnte, der dicht genug war, dass ein Vogel bequem darin nisten konn
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    te, war walnussbraun und von mehr Falten durchzogen als ein eingetrockneter Apfel. Ihr Blick glitt geschwind an ihm herunter. Sein Fellwams und auch die Hosen waren, nach dem Fellmuster zu schließen, aus Antilopenfell genäht, um seine Schultern hing die gefleckte Haut einer großen Wildkatze, und seine Füße steckten in flachen, ebenfalls aus Antilopenleder gefertigten Schnürstiefeln. Er erinnerte sie an ein Tier, und genauso roch er auch. Als sie ihre Augen wieder hob, grinste er sie frech an. Sie bedachte ihn mit einem eisigen Blick.
    Zu ihrer Überraschung lachte Johann breit und packte die ihm dargereichte Rechte. »Na, das ist eine Überraschung. Dan! Was treibst du hier auf einem Schiff? Ich dachte, du traust den Dingern nicht?«
    »Hab meine Häute in Kapstadt verkauft.« Er klimperte mit einem

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