1 - Schatten im Wasser
maliziöses Lächeln huschte über seine Züge. Also war die kleine Baronesse doch nicht so unschuldig, wie sie tat? »Geht es Ihnen gut, Catherine?«, fragte er scheinheilig.
Aber sie hatte sich gefangen. Ihr Rücken straffte sich. »Natürlich, ganz ausgezeichnet, und ich danke Ihnen sehr für diese Information. Nun muss ich mich wieder um meinen Mann küm
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mern.« Sie berührte seinen Arm mit ihren Fingerspitzen und ließ ihn stehen.
Wilma, die ihr schwarzes Kleid zur Feier des Tages mit einem weißen Spitzenkragen aufgehellt hatte, reichte ihr unter Tränen ein Buch, um das sie eine rosa Schleife gebunden hatte. »Möge es dich treulich begleiten, meine Liebste. Ich wünsche dir Gottes Segen und alles Glück dieser Erde.«
Schluchzend umarmte sie ihre ehemalige Schülerin.
Catherine las den Titel. »Unterricht für ein junges Frauenzimmer, das Küche und Haushaltung selbst besorgen wil , aus eigener Erfahrung ertheilt von einer Hausmutter. Nebst einer Unterweisung in anderen zu einer guten Haushaltung gehörigen Wissenschaften.« Ach je, dachte sie, bedankte sich aber herzlich, steckte das Buch achtlos in ihre Reisetasche und vergaß es.
Sie hatte nicht die geringste Absicht, Küche und Haushaltung selbst zu besorgen. Johann würde sicher nicht zulassen, dass sich seine Frau, die er so sichtlich auf Händen trug, die ihren schmutzig machen würde.
Der Kapitän, der die letzten Formalitäten mit dem Hafenmeister erledigt hatte, drängte zum Aufbruch, und Johann half seiner jungen Frau ins Beiboot, das auch eine Familie mit vier Kindern und zwei jüngere Paare zum Schiff bringen sollte. Kaum waren sie an Bord gegangen, lichtete die Mannschaft den Anker und setzte die restlichen Segel. Al e Passagiere drängten sich an der Reling, um einen letzten Blick auf die weiße Stadt am Kap zu werfen. Ein junger Bursche schubste Catherine, um ihren Platz ganz vorn zu ergattern.
Johann packte ihn am Kragen, hob ihn hoch und setzte ihn hinter sich ab. »Aus dem Weg, du Trampel.« Er zog seine Frau vor sich in den schützenden Kreis seiner Arme. »Nun hast du freie Sicht.«
»Meine Güte, welch ein Gewimmel«, rief sie. »Das sind doch mindestens hundert Leute. Wollen die al e nach Durban?«
»Ja, seit letztem Jahr kommt ein Schiff nach dem anderen mit Einwanderern, die in ihrer Heimat keine Zukunft mehr für sich und ihre Familien sehen. Meist haben sie ihr letztes Geld in die 182
se Reise gesteckt. Es herrscht eine schlimme wirtschaftliche Depression in England und Europa, dazu kommen schlechtes Wetter, schlechte Ernten und die Kartoffelfaule, die besonders den Iren zu schaffen macht. Diese neuen Siedler hier sind von einem Mann namens Joseph Byrne angeworben, der bei Durban ein ganzes Tal aufgekauft und in Parzellen eingeteilt hat.« Er ließ seinen Blick über die Menschenmenge schweifen.
Die Strapazen der monatelangen Reise waren den meisten deutlich anzusehen. Sie waren mager und blass, ihre Kleidung wirkte abgenutzt und verschmutzt. Im Großen und Ganzen ein jämmerlicher Haufen. »Diese armen Leute glauben Land vorzufinden, auf dem sie sofort pflanzen können, aber sie werden etwa zwanzig Morgen jungfräuliches Land bekommen, das oft nicht einmal eben, sondern hügelig ist. Davon können sie hier nicht leben, und da die meisten völlig unnütze Dinge mitbringen, nicht an Saatgut und landwirtschaftliche Geräte gedacht haben, ist ihre Lage hoffnungslos. Sie sind zum Scheitern verurteilt. Mehrere hundert vor ihnen haben schon aufgegeben. Am schlimmsten sind die dran, die herkommen, weil sie ihr Geld im Spiel oder beim Pferderennen verloren haben und die Buchmacher hinter ihnen her sind. Sie glauben, hier ihr Glück machen zu können, um dann als reiche Kolonisten in ihre alte Heimat zurückzukehren, und wissen nicht einmal, wie man mit den Händen arbeitet.«
Catherine schaute betroffen hinunter auf die seinen, strich sanft über die rissige Haut, die Schwielen, die Zeugnis davon gaben, wie hart seine Jahre gewesen sein mussten, bis er es zu Wohlstand gebracht hatte. Sie lehnte sich in seine Arme, sah das weiße Haus in den grünen Hügeln Zululands vor sich, das sie erwartete, und dankte Gott für seine Güte.
Al mählich nahmen sie Fahrt auf. Noch lange stand sie an der Reling und winkte den an Land Verbliebenen zu. Erst als die Stadt allmählich im Meer versank und ihre Freunde nicht mehr zu erkennen waren, wandte sie ihren Blick nach vorn. Hinter dem Tafelbergmassiv stieg die Sonne in den klaren,
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