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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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putziges Maskottchen. Niemand kontrollierte,
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    wie ich mich kleidete, womit ich mich beschäftigte, welche Bücher ich las.
    Als ich neun Jahre alt war, hatte ich jedes der Bücher meines Vaters bereits mehrfach durchgelesen, wusste einiges über die Natur und ihre Wissenschaften und vieles, was in der Welt vor sich ging. Außerdem konnte ich mich in mehreren Sprachen verständigen. Deutsch und Französisch sprach ich sowieso fließend. Aber auch mein Englisch war ganz passabel geworden. Papa war froh, dass ich beschäftigt war, und widmete sich ganz seinen Forschungen. Ihm entging dabei, welch arger Wildfang ich geworden war.« Sie lachte. »Ich kletterte auf Bäume, schwamm in meiner Unterkleidung in Flüssen und benahm mich mehr wie ein Lausbub als wie ein sanftes Mädchen. Auch mein Wortschatz entsprach durchaus nicht nur dem einer wohlerzogenen jungen Dame der guten Gesellschaft.«
    Johann nickte ernst, doch seine Augen tanzten. »Du hast mich mit deinem Ausruf »Hölle und Verdammnis* bis ins Mark schockiert. Es ist wirklich außerordentlich undamenhaft.« Ihre verlegene Reaktion freute ihn diebisch.
    Sie gab ihm einen spielerischen Klaps. »Dein Bedauern kommt zu spät, du hast mich am Hals. Doch nun unterbrich mich nicht dauernd! Neben den lateinischen Ausdrücken, die ich von den Gelehrten aufschnappte, den gewundenen Phrasen der frommen Männer und Grandperes altertümlichem Wortschatz verfügte ich über ein reiches Vokabular der farbigsten Gossensprache, konnte fluchen wie die härtesten Matrosen, was ich auch in aller Unschuld tat. Als mein Vater dessen endlich gewahr wurde, war ich dreizehn. Wir kamen von einer Expedition aus Costa Rica zurück, und zu meinem großen Missvergnügen wartete Adele mit ihrer unbequemen Kutsche am Kai. Mein Vater erklärte mir, dass er gedachte, sich für einige Wochen in sein Labor zurückzuziehen und seine Funde auszuwerten, und dass sich Adele und Mechthild um mich kümmern würden.«
    Lachend warf sie ihren Kopf in den Nacken. »Ich wäre fast weggelaufen, kann ich dir versichern. Wie viel lieber hätte ich neben ihm im Labor gesessen, seinen Versuchen mit Fröschen

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    zugesehen, ihm geholfen, die Ausbeute der Schmetterlinge aufzuspießen.
    Stattdessen sollte ich der ungeteilten Aufmerksamkeit Adeles und ihrer steinalten Gesellschafterin Mechthild ausgeliefert sein.
    Aber, Papa, du wolltest mir zeigen, wie man einen Frosch aufschneidet, du hast es versprochen', protestierte ich, ja ich stampfte tatsächlich mit dem Fuß auf. Papa runzelte nur ärgerlich die Stirn.
    >Es werden schwierige Experimente, da kann ich deine Fragerei nicht haben. Ich brauche Ruhe, und damit basta<, sagte er, und hatte er das gesagt, blieb er hart wie Granit. Al es Betteln nutzte nichts. Dann mäkelte zu al em Überfluss noch meine Tante an mir herum, al ein ihre keifende Stimme löste bei mir den heftigen Wunsch nach Flucht aus.
    >Sie sieht aus wie ein Gassenjunge, Louis, sonnenverbrannt, und diese Haares lamentierte sie, »entsetzlich, wie ein Zigeunerkind! Wie gut, dass ihre arme Mutter das nicht mehr erlebt. Aber ich werde sie schon zu bändigen wissen/ Ihre knochigen Finger bohrten sich in meine Schultern, zogen an meinen langen Haaren, und das Glitzern ihrer schwarzen Vogelaugen machte mir klar, dass sie nicht nur mein Haar meinte. Es versprachen äußerst verdrießliche Wochen werden, und Panik packte mich.
    Ich riss mich los, und mit dem dir sattsam bekannten Ausruf >Hölle und Verdammnis« rannte ich mit hochgeschürzten Röcken und fliegenden Haaren die Pier hinunter.« Sie lachte. »Wohin ich gedachte auszureißen, hatte ich mir natürlich nicht überlegt. Adele stieß einen spitzen Schrei aus und sank, sich hektisch bekreuzigend, auf den Sitz ihrer Kutsche zurück, während mein Vater brüllte, ich solle sofort zurückkommen. Mit gesenktem Kopf schlich ich zu ihm; ich fühlte mich, als hätte ich Bleigewichte an den Füßen. Papa zog mir die Ohren lang, und zu Hause wusch mir Adele den Mund mit Seife aus, verbannte mich für eine Woche in mein Zimmer, und ich musste sogar dort allein essen. Ich musste die Bibel lesen, die gelese-nen Passagen wurden danach streng von Adele und der alten Mechthild abgefragt.«
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    Sie lehnte den Kopf zurück und ließ den Wind in ihren Haaren spielen.
    »Der einzige Lichtblick dieser Tage waren die Leckereien, die Adeles Köchin, die einen Narren an mir gefressen hatte, mir heimlich durch das Hausmädchen zukommen ließ. Trotzdem war ich

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