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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sehen. Aber nicht in der Lage, das Gute zu erkennen. Kommt dir das nicht komisch vor?«
    »Nein«, sagte Swetlana verdrossen. »Tut mir Leid, aber ich weiß nicht, worauf du hinauswillst, Olga, entschuldige, Anton. Du sprichst schon genau wie sie.«
    »Macht nichts.«
    »Der Dunkle ist irgendwohin verschwunden«, bemerkte Swetlana, während sie über meine Schulter linste. »Um fremde Kräfte aufzusaugen, um böse Zauber zu wirken. Und wir unternehmen nichts.«
    Ich drehte den Kopf ein wenig nach hinten. Erblickte den Dunklen – der äußerlich tatsächlich kaum wie dreißig wirkte. Er war geschmackvoll gekleidet, einnehmend. An seinem Tisch saßen noch eine junge Frau und zwei Kinder, ein Junge von ungefähr sieben Jahren und ein etwas jüngeres Mädchen.
    »Austreten ist er gegangen, Sweta. Pinkeln. Seine Familie ist übrigens völlig normal. Hat keine Fähigkeiten. Willst du die etwa auch liquidieren?«
    »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm …«
    »Sag das mal Garik. Sein Vater ist ein Dunkler Magier. Und lebt noch immer.«
    »Es gibt Ausnahmen.«
    »Das ganze Leben besteht aus Ausnahmen.«
    Swetlana verstummte.
    »Ich kenne diesen Drang, Sweta. Gutes zu tun, das Böse zu vertreiben. Ein für alle Mal. Ich bin genauso. Aber wenn du nicht einsiehst, dass das eine Sackgasse ist, endest du im Zwielicht. Und irgendjemand von uns wird gezwungen sein, deine irdische Existenz zu beenden.«
    »Dafür werde ich aber etwas ausrichten.«
    »Weißt du, wie deine Taten von außen aussehen würden? Eine Psychopathin, die blindwütig anständige Leute umbringt. In allen Zeitungen Artikel, die dir das Blut in den Adern gefrieren lassen. Klangvolle Beinamen wie die Borgia von Moskau. Du würdest in den Herzen der Menschen so viel Böses wecken, wie es eine Brigade Dunkler Magier in einem Jahr nicht schafft.«
    »Warum habt ihr immer auf alles eine Antwort parat?«, fragte Swetlana bitter.
    »Weil wir unsere Lehrjahre hinter uns haben. Und überlebt haben. Die meisten zumindest!«
    Ich rief den Kellner herbei und bat um die Speisekarte.
    »Willst du einen Cocktail?«, fragte ich. »Und dann verschwinden wir von hier? Such dir was aus.«
    Swetlana nickte und studierte die Getränkekarte. Der Kellner, ein dunkelhäutiger, groß gewachsener Ausländer, wartete. Er hatte schon viel gesehen, und zwei Frauen, von denen sich eine wie ein Mann benahm, brachten ihn wahrlich nicht in Verlegenheit.
    »Alter ego«, sagte Swetlana.
    Zweifelnd schüttelte ich den Kopf – das war einer der stärksten Cocktails. Doch ich wollte keinen Streit anfangen. »Zwei Cocktails und die Rechnung.«
    Während der Barkeeper unsere Cocktails mixte und der Kellner sich mit der Rechnung abplagte, saßen wir da und schwiegen bedrückt.
    »Gut, das mit den Dichtern hätten wir geklärt«, sagte Swetlana schließlich. »Sie sind potenzielle Andere. Aber was ist mit den Verbrechern? Mit Caligula, Hitler und irrsinnigen Mördern?«
    »Das sind Menschen.«
    »Alle?«
    »In der Regel, ja. Wir haben unsere eigenen Übeltäter. Ihre Namen sagen den Menschen nichts, aber für euch fängt bald der Geschichtskurs an.«
    Der Alter ego verdiente seinen Namen. Zwei schwere, unvermischte Schichten wogten in einem Glas, eine schwarze und eine weiße, süßer Sahnelikör und bitteres dunkles Bier.
    Ich zahlte bar – elektronische Spuren hinterlasse ich möglichst selten – und hob das Glas. »Auf die Wache.«
    »Auf die Wache«, schloss sich Swetlana an. »Und auf dein Glück, damit du aus dieser Geschichte mit heiler Haut davonkommst.«
    Liebend gern hätte ich sie gebeten, auf Holz zu klopfen. Doch ich schwieg. Trank den Cocktail in zwei Schlucken, zunächst die zarte Süße, dann ein leicht bitterer Geschmack.
    »Nicht übel«, sagte Swetlana. »Weißt du, mir gefällt es hier. Wollen wir nicht noch ein wenig bleiben?«
    »In Moskau gibt es viele angenehme Bars. Lass uns irgendwo hingehen, wo kein schwarzer Magier verkehrt.«
    Sweta nickte. »Er ist übrigens noch nicht wieder aufgetaucht«, meinte sie.
    Ich schaute auf die Uhr. Hm, in dieser Zeit hätte er ein paar Eimer voll pinkeln können.
    Am befremdlichsten war jedoch, dass die Familie des Magiers immer noch am Tisch saß. Und die Frau langsam echt nervös wurde.
    »Sweta, ich geh mal wohin.«
    »Vergiss nicht, wer du bist!«, flüsterte sie mir hinterher.
    Völlig richtig. Dem Dunklen Magier in die Toilette nachzugehen würde in der Tat seltsam anmuten.
    Trotzdem ging ich durchs Restaurant, wobei ich im Gehen

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