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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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faktisch bereits geschehen war.
    Das würde Swetlana nicht ertragen. Wir können sie und ihre Angehörigen verteidigen. Wir sind aber nicht imstande, ihre eigenen Entscheidungen zu beeinflussen. Und wenn sie mich retten, mich aus den Verliesen der Tagwache befreien, mich beim Tribunal herausboxen wollte, würden die sie ohne mit der Wimper zu zucken vernichten. Das ganze Spiel zielt darauf ab, dass sie einen falschen Zug macht. Ist vor langer Zeit eingefädelt worden, damals, als der Dunkle Magier Sebulon das Auftauchen einer Großen Zauberin voraussah und erkannte, welche Rolle ich dabei spielen sollte. Danach wurden die Fallen aufgestellt. Die erste hat versagt. Die zweite hat ihr gieriges Maul schon geöffnet. Möglicherweise wartet noch eine dritte auf mich.
    Aber was hat der Junge damit zu tun, dessen magische Fähigkeiten noch nicht zu Tage treten konnten?
    Ich blieb stehen.
    Er war doch ein Dunkler, oder?
    Wer von uns bringt denn die Dunklen um? Die schwachen, unerfahrenen Dunklen, die sich nicht weiterentwickeln wollen?
    Eine weitere Leiche, die mir angehängt werden soll? Aber wozu?
    Ich wusste es nicht. Aber dass der Junge zum Tode verdammt und unser Treffen in der Metro kein Zufall war, stand für mich mit unumstößlicher Sicherheit fest. Vielleicht, weil mir noch einmal ein Blick in die Zukunft gestattet wurde, vielleicht, weil ein weiteres Puzzleteil an seinen Platz gerückt war.
    Jegor würde sterben.
    Mir fiel wieder ein, wie er mich auf dem Bahnsteig angesehen hatte, mit zusammengekniffenen Augenbrauen, aber auch von dem Wunsch erfüllt, mich einerseits etwas zu fragen, mich andererseits zu beschimpfen, mir die Wahrheit über die Wachen an den Kopf zu werfen, hinter die er viel zu früh gekommen war. Wie er sich umgedreht hatte und zur Metro gerannt war.
    »Aber Ihre Leute verteidigen Sie doch? Die von Ihrer Wache?«
    »Sie versuchen es.«
    Natürlich versuchen sie es. Bis ganz zum Schluss werden alle den Wilden suchen.
    Und der ist der Schlüssel zu allem!
    Ich blieb stehen und presste mir die Hände an den Kopf. Beim Licht und beim Dunkel, wie blöd ich bin! Wie unsagbar naiv!
    Solange der Wilde noch am Leben ist, würde die Falle nicht zuschnappen. Es reicht nicht, mich als psychopathischen Jäger auszugeben, als einen Wilderer der Lichten. Sie müssen unbedingt auch den echten Wilden töten.
    Die Dunklen – oder zumindest Sebulon – wissen, wer er ist. Mehr noch, sie können ihn lenken. Werfen ihm Beute vor, Leute, mit denen sie nicht viel anfangen können. Jetzt zieht der Wilde nicht bloß in eine weitere heldenhafte Schlacht – nein, er verschreibt sich dem Kampf gegen das Dunkel mit Leib und Seele. Überall begegnen ihm Dunkle: zuerst die Tierfrau, dann der Dunkle Magier im Restaurant, jetzt der Junge. Wahrscheinlich glaubt er, die Welt sei verrückt geworden, die Apokalypse nahe, die Kräfte des Dunkels rissen die Welt an sich. Ich wollte nicht in seiner Haut stecken.
    Die Tierfrau war notwendig, um Protest zu erheben und uns klar zu machen, wer in Gefahr schwebt.
    Der Dunkle Magier, um mich auf frischer Tat zu ertappen und damit das Recht zu haben, mich offiziell anzuklagen und zu verhaften.
    Der Junge, um den Wilden zu vernichten, der seine Schuldigkeit getan hat. Im letzten Moment einzugreifen, ihn zu fassen, wie er über die Leiche gebeugt dasteht, ihn zu töten, um seine Flucht und seinen Widerstand zu unterbinden. Denn er wird nicht verstehen, dass wir nach Regeln kämpfen, wird sich nie ergeben, nicht auf den Befehl irgendwelcher »Wächter des Tages« reagieren, von denen er noch nie gehört hatte.
    Nach dem Tod des Wilden bleibt mir kein Ausweg mehr. Entweder stimme ich einer Gedächtnisinversion zu oder gehe ins Zwielicht ein. In beiden Fällen wird Swetlana ausrasten.
    Mich fröstelte.
    Es war kalt. Trotz allem. Ich hatte schon gedacht, der Winter sei endgültig vorbei, aber da hatte ich mich geirrt.
    Ich streckte die Hand aus und hielt das erste Auto an. Sah dem Fahrer in die Augen und befahl: »Fahren wir.«
    Der Impuls war ziemlich stark, er fragte noch nicht einmal, wohin.
    Die Welt steuerte auf ihr Ende zu.
    Irgendwas bewegte sich, rückte zur Seite, die alten Schatten rührten sich, die dumpfen Wörter längst vergessener Sprachen erklangen, ein Zittern ging durch die Erde. Über der Welt zog das Dunkel herauf.
    Maxim stand rauchend auf dem Balkon und hörte mit halbem Ohr auf Lenas Gemaule. Seit ein paar Stunden ging das nun schon so, seit dem Moment, da die junge Frau,

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